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Max Perplex

Max Perplex

Titel: Max Perplex
Autoren: Hen Hermanns
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Warum hast du denn nie was gesagt?«
    »Ich bin nicht dazu gekommen. Es ging ja immer nur um deine neue Rolle als Stardetektiv.«
    Das saß.
    »Und was machen wir jetzt?« fragte ich.
    »Schlafen«, sagte Alwine, »und zwar jeder für sich. Kannst du mich nach Hause bringen? Ich muß immer noch Text lernen, und ich bin hundemüde.«
    Im Auto redeten wir nicht mehr viel, und auch der Abschiedskuß war schon mal etwas heftiger ausgefallen. »Sauer?« fragte ich.
    »Nein, wirklich nicht. Nur müde. Ciao bello.«
    Bello. Bell Blamage. Abend im Arsch. Wg/Wuff.
    Wegen Daniel, dem Spaniel.

3.

    Am Donnerstagmorgen wurde die Wettervorhersage erneut als freche Lüge enttarnt. Statt des Hochdruckeinflusses mit seinen milden Luftmassen gab es Kälte und massig Niesel. Aber als weiser Möchtegern-Taoist wußte ich, daß es weder schlechtes noch gutes Wetter gab. Es gab eben nur Wetter. Und irgendwo da draußen mußte jemand leben, der vom Niesel profitieren konnte. So hatte alles seinen Sinn.
    Ich lief 10 Kilometer, fummelte danach noch ein bißchen mit den Hanteln herum, duschte und mischte mich dann zum Frühstück unter die Putz- und Marktfrauen in der Bäckerei >Merzenich<. Anschließend fuhr ich ins Büro, setzte mich hinter den Schreibtisch und las ein Kapitel aus Julian Barnes >A History of the World in 10 ½ Chapters<.
    Noah, der alte versoffene Sack, erzählte Barnes, hatte die Tiere in erster Linie als Proviant mit aufs Boot genommen und nach und nach aufgefressen. Das Einhorn hatte er sogar aus purer Eifersucht umgebracht. Wenigstens hatte dieser Barnes eine originelle Theorie. Ich hatte außer einer Anzahlung von fünftausend Mark überhaupt nichts in der Hand.

    Da ich ohnehin mit Yvonne Ziegler im >Stadtgarten-Restaurant< verabredet war, ging ich gegen Mittag schon mal rüber. Vielleicht war ja die scharfe Schmitz da. Sie war, aber diesmal hatte sie nur Augen für den Stadtsatiriker Richard Rogier, der irgend etwas mit einer WDR-Tante zu betuscheln hatte. Nach einem Nudelsalat, einem magenzwickenden Edelzwicker, vier Espressi, zwei Stunden und drei weiteren >A-History-of-the-World<-Kapiteln betrat Yvonne Ziegler das Lokal. Sie sah sich kurz um und kam dann direkt auf mich zu. Anscheinend hatte ich mich am Telefon ganz gut beschrieben. Ich trug einen grauen Yamamotosack aus meinen Werbefuzziezeiten und ging problemlos als Zeitgeistheini durch.
    »Herr Kisch?« fragte sie.
    »Ja, Egon Kisch, hallo, Yvonne.« Beim Bildungstest am Telefon war sie schon durchgefallen. Sie merkte es immer noch nicht.
    »Ich bin der rasende Reporter von >Tempo<.«
    »Ich glaube, ich habe schon mal was von dir gelesen.«
    »Kann sein, aber das muß ’ne Weile her sein. Ich hab ’ne kleine Pause eingelegt.«
    Ihre Stimme klang noch kindlicher als am Telefon, und trotz knallrotem Lippenstift und schwarz-mondänen Klamotten sah sie auch kindlich aus. Lovely Lolita. Ich legte ein kleines Diktiergerät auf den Tisch. »Was dagegen, wenn ich unser Gespräch mitschneide?« Es heißt, daß Sinneseindrücke von Trommelfell oder Netzhaut mit einer Geschwindigkeit von rund 300 Stundenkilometern ins Hirn jagen. Bei Yvonne dauerte es ein bißchen länger. Sie klimperte mit den Augenwimpern, zog das Näschen kraus und kickste mir dann nach einer kleinen Ewigkeit ihr Einverständnis zu. Am Telefon hatte sie schnelleres Reaktionsvermögen gezeigt. Aber vielleicht irritierte sie ja auch nur meine umwerfende Erscheinung. Oder sie hatte irgendwas eingeworfen. »Schön, daß du gekommen bist«, sagte ich. »Du kriegst natürlich eine Abschrift von diesem Interview, und es wird auch nur mit deinem Einverständnis abgedruckt.« Yvonne nickte und kramte in ihrer Handtasche. Sie brachte ein Päckchen Zigaretten zutage und zündete sich eine an. Schmitz kam an unseren Tisch, und Yvonne bestellte einen Milchkaffee. Dann konnte es endlich losgehen.
    »Was ist deine erste Erinnerung?« fragte ich.
    »Du fragst ja wie ein Analytiker.«
    Sie drückte die Zigarette wieder aus.
    »Warst du schon mal beim Analytiker?«
    »Nein, aber die fragen doch so was, oder? Meine erste Erinnerung?« Sie überlegte. »Ich glaube, das war in einem Krankenhaus. Ja, ich muß vier oder fünf gewesen sein, und mir waren die Mandeln rausgenommen worden. Ich lag in meinem Bett, und meine Eltern waren zu Besuch. Aber sie durften aus irgendwelchen Gründen nicht zu mir, sondern mußten hinter einer Glasscheibe stehen. Mein Vater trug einen Pfeffer-und-Salz-Mantel, das weiß ich genau. Er
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