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Max Perplex

Max Perplex

Titel: Max Perplex
Autoren: Hen Hermanns
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Wohnsitz bei der Mami in Köln. Dazu hatte Ziegler noch die Telefonnummern angegeben. Ich steckte den ganzen Krempel wieder ein, zahlte, ließ mir ein Taxi bestellen und fuhr nach Hause. Von dort aus rief ich erst mal in der Würzburger Wohngemeinschaft an und erfuhr, daß Yvonne zur Zeit in Köln sei. Ich wählte die Nummer von Anna Ziegler und hatte Yvonne gleich am Apparat. Ihre Stimme klang ein bißchen kindlich. Ich gab mich frech als Redakteur einer Zeitgeistzeitschrift aus, der eine Reportage über Kinder von Industriebossen schrieb, und bat sie für den nächsten Vormittag um ein Interview im >Stadtgarten-Restaurant<. Sie sagte ohne Zögern zu. So einfach war die Detektivspielerei. Mühe allein reicht eben nicht, Talent muß sein. Im Vorzimmer von Dr. Breyvogel, Zieglers Nachfolger bei der DALAG AG, hatte ich nicht so viel Glück. Breyvogel war auf Geschäftsreise und wurde erst am Donnerstag zurückerwartet. Am Freitag hatte er aber Zeit für mich. Nicht für mich direkt natürlich, sondern für einen Mitarbeiter des kleinwüchsigen Chefredakteurs aus dem >Treppchen<, den ich der Vorzimmerdame vorlog. Sie hatte eine betörend tiefe Stimme, und ich war schon sehr gespannt, wie sie wohl aussehen würde. Die Pressenummer funktionierte einfach hervorragend. Ich überlegte kurz und verwarf dann den Gedanken, mich bei Anna Ziegler als Redakteur der Zeitschrift >Madame< einzuschleichen. Erst gar keine Routine aufkommen lassen. Und außerdem hatte ich für heute genug getan. Ich gab mir die Erlaubnis, Feierabend zu machen, setzte mich in den Volvo und fuhr in die Südstadt, wo Alwine, wie es sich für eine junge Schauspielerin am Anfang ihrer Karriere gehörte, in einem Café als Kellnerin jobbte.

    Alwine hatte anscheinend auch schon Feierabend. Sie saß mit einem Typen zusammen, der heftig auf sie einredete und gestikulierte und eine unglaubliche Ähnlichkeit mit Norbert Blüm hatte. Ich unterbrach seinen Vortrag, dem Alwine mit offensichtlicher Faszination lauschte, mit einem Kuß auf ihren einzigartigen rechten Wangenknochen (nur der linke kommt da noch mit) und setzte mich dazu. »Das ist Daniel«, stellte mir Alwine den Blüm-Doppelgänger vor. »Daniel ist der Autor und Regisseur unseres neuen Stücks.«
    »Max«, sagte ich höflich, »freut mich.«
    »Wuff«, sagte Daniel.
    »Wie bitte?«
    »Wuff«, wiederholte er, »so heißt mein neues Stück. Es ist ein Stück über Kommunikation. Amerikanische Forscher haben herausgefunden, daß Hunde ohne jeden tieferen Grund bellen. Mal aus Angst, mal aus Langeweile, aus Ärger oder einfach nur so. Aber es ist kein festes Regelsystem zu erkennen, warum Hunde bellen. Sie bellen eben. Ein Spaniel, den sie getestet haben, bellte innerhalb von zehn Minuten 907mal. Das sind 1,5 Beller pro Sekunde, das mußt du dir mal vorstellen.«
    »Wuff«, sagte ich, »dann braucht Alwine diesmal also gar keinen Text zu lernen? Wie oft pro Sekunde kannst du es denn schon?«
    »Sehr witzig«, sagte Daniel. »Was ich meine, ist, Hunde sind domestiziert und bellen. Wölfe dagegen bellen nur sehr selten.«
    »Sie heulen«, griff Alwine jetzt mit einem bedeutungsschwangeren Blick ein, der mir gar nicht gefiel.
    »Ja und? Und worauf läuft das Ganze jetzt hinaus?«
    Daniel und Alwine sahen mich mitleidig an.
    »Verstehst du nicht?« fragte Daniel, »es ist doch wie bei uns. Wir sind domestiziert und reden und reden und reden. Der Wilde und der Weise dagegen schweigen und sagen nur dann etwas, wenn es wirklich etwas zu sagen gibt. Darum geht’s. Darum, daß uns das Überangebot an Kommunikation krank macht, darum, daß wir einfach zu viel und unüberlegt reden.«
    »Genau«, sagte Alwine und sah Daniel bewundernd an. »Interessant«, sagte ich.
    Wir schwiegen wild und weise und ziemlich betreten, und es war klar, daß im Moment nicht mehr viel zu sagen war.
    Daniel bellte schließlich kurz und knapp, daß er nun wirklich los müsse, und zog ab.
    »Du hättest ruhig ein bißchen freundlicher sein können«, sagte Alwine, »Daniel hat echt was drauf, und das Stück ist gut. Du solltest es mal lesen. Daniel leidet an der Welt, am Sprachmüll, am ständigen Quatschen.«
    »Dann verstehe ich nicht, warum er selbst soviel quatscht.« Alwine schüttelte den Kopf.
    Ich beugte mich zu ihr und fuhr ihr mit der Zunge übers Ohr. »Kleiner Hundekuß. Ich werde mich bessern, o. k.?«
    »O. k., aber du solltest die Sache ernst nehmen. Wir proben jetzt schon seit zwei Wochen.«
    »Seit zwei Wochen schon?
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