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Max Perplex

Max Perplex

Titel: Max Perplex
Autoren: Hen Hermanns
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unsichtbare Dritte< von Hitchcock gezeigt, und während dieser Szene, in der Cary Grant mit seiner Sekretärin im Taxi sitzt und durch New York fährt, überfiel mich plötzlich der erste Anflug einer Midlife-crisis. Als ich den Film zum ersten Mal gesehen hatte, war Cary Grant bestimmt dreimal so alt wie ich. Bei der ersten Wiederholung war er nur noch doppelt so alt, und jetzt trennten uns auf einmal nur noch ein paar Jahre. An irgendeinem Abend würde ich vor der Glotze sitzen und wieder >Der unsichtbare Dritte< sehen und wesentlich älter sein als Cary Grant. Mit einem Bypass womöglich und einem Hörgerät.

    Schmitz brachte Weizenbier und Bohnensalat und sah mich verschmitzt an. Konnte sie Gedanken lesen? Ich schenkte ihr das coolste Lächeln, das ich auf Lager hatte, und hielt lieber den Mund. Zu meiner Erleichterung betrat jetzt ein Typ das Lokal, der noch gut zehn Jährchen mehr drauf hatte als ich. Mindestens. Ziemlich teuer gekleidet. Der Kaschmir-Typ. Nur sein asketisches Gesicht mit den harten Falten paßte nicht ganz dazu. Er sah sich suchend um. Sein Blick traf mich. Auch seine Augen paßten nicht zu den Success-Klamotten. Groß, hager und völlig verloren blieb er eine Weile stehen. Dann gab er sich einen Ruck und ging wieder raus. Schmitz hatte die Ellbogen auf die Theke gestützt, ihr Kinn in die Hände gelegt und starrte dem traurigen Asketen versonnen nach. Ich spießte mit meiner Gabel einen großen Haufen Bohnen auf. Lauf ihm doch nach und tröste ihn, du blöde Kuh. Es war immer dasselbe: der Mutterkomplex. Aber immerhin war mir so auch Alwine zugefallen. Ich war schließlich seit Monaten in festen Händen. Und überhaupt.
    Ich legte einen Zwanziger auf den Tisch, winkte Schmitz, so lässig es nur ging, zu und verließ das Lokal. Ich drehte noch eine kleine Runde durch den Stadtgarten und ließ dabei dem kleinen Faschisten in meinem Hinterkopf freien Auslauf. Als er spürte, daß die Leine los war, forderte er lautstark, die ewig scheißenden Köter endlich alle abzuknallen.

    Mein Büro widersetzte sich strikt allen Klischeevorstellungen. Es war nicht verstaubt und verwahrlost, sondern wurde jede Woche von einer griechischen Putzfrau auf Hochglanz gebracht. Ich hatte keine Whiskeyflasche im Aktenschrank liegen, sondern eine Flasche Grappa in einem Sideboard, auf dem eine teure Espressomaschine blitzte. Und als ich die Tür öffnete, wartete auch kein Gangster auf mich, sondern das geballte Nichts.
    Ich machte mir einen Espresso und schenkte mir einen Grappa ein. Es klingelte. Ich zuckte zusammen. Das erste Türklingeln. Premiere. Ich ging zur Tür und öffnete. Vor mir stand der große hagere Kaschmir-Typ.
    »Max Reinartz?« fragte er. Ich nickte.
    »Ziegler, Bernhard Ziegler«, stellte er sich vor.
    »Kommen Sie rein, Herr Ziegler«, sagte ich und führte ihn in mein Büro.
    »Nehmen Sie Platz. Was kann ich für Sie tun?«
    Ziegler setzte sich in einen meiner schlichten Besuchersessel, und ich klemmte mich hinter meinen Schreibtisch. Max Reinartz, Investigator, hatte seinen ersten Klienten. Eventuell.
    »Sie sind mir empfohlen worden«, sagte Ziegler, »von einem gemeinsamen Bekannten in New York.«
    »Von Sal?«
    »Genau, von Sal Goldblum.«
    Mein lieber Freund Sal, den ich vor Jahren mal beim Jogging im Central Park kennengelernt hatte. Den ich unwidersprochen meinen jüdischen Mafioso-Freund nennen durfte. Er hatte mir nie gesagt, auf welche Art er sein Geld verdiente, aber im Laufe unserer Freundschaft hatte ich es mir leicht zusammenreimen können. Er war ein Mobster mit Kultur, und ich mochte Leute mit exotischen Berufen. Sal wußte von meinem Abenteuer mit dem Waffenhändler. Und im letzten Jahr hatte er mich in einem New Yorker Hotel aus einer ziemlich unangenehmen Situation befreit. Ein Verrückter war mir aus Deutschland nachgereist, um mich hier umzubringen. Sal kam gerade im richtigen Moment und beauftragte zwei seiner Angestellten, den Kerl verschwinden zu lassen. Nicht mit Betonschuhen im Hudson, sondern mit einem Ticket in ein Flugzeug nach Düsseldorf. Einen Tag später war er tot, aber damit hatten Sals Leute nichts zu tun. Das war der Job eines Polizei-Scharfschützen, und das Ganze war eine Geschichte, die mich ein bißchen aus der Bahn geworfen hatte. Jedenfalls war ich Sal noch einen Gefallen schuldig. Ob Ziegler dieser Gefallen war? »Woher kennen Sie Sal?« fragte ich ihn.
    »Mein Analytiker hat mich mit ihm zusammengebracht.«
    »Ihr Analytiker?«
    »Ich war ein halbes
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