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Max Perplex

Max Perplex

Titel: Max Perplex
Autoren: Hen Hermanns
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doch ein anständiges Mädchen.«
    »Klar, Baby«, sagte ich, »deshalb fliegst du ja auch auf so unanständige Jungs wie mich.«
    »Was machst du denn da, du unanständiger Junge?«
    »Ich bin dabei, Lammkoteletts in die Pfanne zu werfen, Baby.«
    »Wenn du wirklich ein unanständiger Junge wärst, würdest du mich jetzt aufs Bett werfen.«
    »Schmoll nicht, Baby, alles zu seiner Zeit. Wirf mir mal die Knoblauchzehen rüber.«
    Wir hatten wirklich eine Menge Spaß zusammen.
    »Ich habe meinen ersten Klienten, Alwine.«
    Und schon hörte der Spaß auf. Alwine hielt mein Detektivspiel nämlich für keine besonders gute Idee.
    »Und ich hatte gehofft, du würdest mangels Kundschaft aufgeben.«
    »Laß es mich doch wenigstens versuchen. Was ist denn schon schlimm daran? War ich als Werbefuzzie etwa seriöser?«
    »Seriöser nicht. Aber irgendwie normaler.«
    »Wir haben das doch jetzt schon oft genug besprochen. Natürlich war ich normaler. Aber wenn es dir erst mal passiert ist, daß dich jemand umbringen will, dann ist nichts mehr normal.«
    Genau das war mir passiert. Ich hatte es überlebt. Aber so etwas überlebt man nicht, ohne dafür zu bezahlen. Mir hatte das Leben auf einmal den Teppich unter den Füßen weggezogen. Genauso wie meinem ersten Klienten. Ähnlich wie er wollte auch ich mehr darüber wissen, warum mir das passiert war. Und für ein Psychologiestudium war es ein bißchen zu spät. Dazu kam, daß selbst mein Mafioso-Freund Sal mich für talentiert hielt. Er hatte mich nicht ausgelacht, als ich von meiner Idee erzählte. Er hatte nur bedauert, daß ich keinen Job in seiner Firma annehmen wollte.
    »O. k.«, sagte Alwine, »ich weiß. Ich hab’s ja verstanden. Aber mir fällt es schwer, mich daran zu gewöhnen.«
    Ich salzte die Lammkoteletts und legte sie auf unsere Teller. Das Gratin war inzwischen auch fertig. »Sobald du in Hollywood bist, gebe ich das hier auf, Alwine. Dann brauchst du einen Bodyguard.«
    »Du bist einfach bescheuert.«
    »Ich weiß.«
    »Und was ist mit diesem Klienten?«
    Ich erzählte ihr die Ziegler-Geschichte.
    »Das ist nicht dein Ernst, oder?« fragte Alwine.
    »Doch. Ich will es jetzt wissen. Außerdem hilft mir Knodt.«
    »Versprich mir, daß du kein Risiko eingehst.«
    »Versprochen.«
    »Dann viel Erfolg«, sagte Alwine und streckte mir ihr Weinglas entgegen. Wir stießen an.
    »Danke, Baby. Magst du deinen unanständigen Jungen denn noch ein bißchen?«
    »Ja, aber nur, wenn du jetzt sofort unanständig wirst.«
    »Dann stell die Ukulele weg und komm mit.«

2.

    Um sechs Uhr wurde ich wach. Ich stand leise auf, zog meine Laufklamotten an und schrieb Alwine einen Zettel mit Angabe der voraussichtlichen Zeit meiner Rückkehr. Der Wettervorhersage zum Trotz war es kalt, und es nieselte leicht. Vor McDonald’s parkte ein riesiger Truck mit Anhänger. Zwei Männer trugen Paletten mit dem Hamburger-Tagesbedarf von Köln-Nippes in einen Hintereingang. Aus dem Gyrosgrill hundert Meter weiter traf mich der Geruch der Fritten von gestern voll in den Magen. Nach weiteren zweihundert Metern schwallte der Duft von frischen Brötchen auf mich ein. Beim Vorbeilaufen an der Bäckerei sahen der Bäcker und ich uns in die Augen. Der Bäcker mußte jeden Morgen um drei Uhr raus und hatte kein Verständnis für Jogger, die freiwillig früher als nötig aufstanden. Er sah mich an wie ein Vater, der sich fassungslos eingestehen muß, daß sein Sohn ein hoffnungsloser Versager ist. Dann kamen nur noch Wohnhäuser. Ich überholte einen Amateurläufer, der in einem schneeweißen Baumwollanzug vor mir her trabte. Eine Woge von Weichspülergeruch schwappte über mich hinweg und nahm mir den Atem. »Morgen«, keuchte der Aprilfrische. Ich ließ ihn hinter mir zurück und gab keine Antwort. Richtige Langstreckenläufer grüßen nicht. Wer nicht erkannt hat, daß Laufen die einzige Möglichkeit ist, ein absolut einsames, in sich abgeschlossenes, unerreichbares System zu sein, ist Freizeitsportler. Für mich gab es nur eine Ausnahme. Hin und wieder war ich am frühen Morgen einem Typen an weit abgelegenen Stellen begegnet, was, zusammen mit seinem Bewegungsablauf, darauf schließen ließ, daß er sehr lange Strecken lief. Nachdem wir uns zwei Jahre lang begegnet waren, rangen wir uns dazu durch, uns lässig und voller gegenseitiger Hochachtung durch ein kaum wahrnehmbares Anheben von Zeige- und Mittelfinger zu grüßen. Männer können sich wirklich unglaublich lächerlich verhalten, aber ich mag
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