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Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit

Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit
Autoren: V.A.
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Heute wurde der bärtige Mann aus dem ›Beruhigungsraum‹ zurückgebracht; er hat einen ›Rückfall‹ erlitten. Seine Augen waren rot umrändert und lagen tief in ihren Höhlen, und er hat mich den ganzen Morgen lang unablässig beobachtet. Als Miß Utz einmal ihren Platz am Eingang unseres Schlafsaals verließ, hat er mich mit einer schwachen Handbewegung zu sich herangewinkt.
    Er hat kein Wort gesagt, als ich an seinem Bett stand. Statt dessen hat er nur seinen Bart hochgehoben und auf seine Kehle gezeigt. Ich habe mir die Stelle angesehen, aber dort waren nur einige rote Punkte zu erkennen, als habe er sich selbst mit den Fingernägeln gekratzt. Er spreizte die Haut an einer Stelle mit seinen zitternden Fingern, und ein winziger Blutstropfen quoll daraus hervor. Der bärtige Mann lachte.
    Ich sah weg, weil ich diesen Anblick nicht ertragen konnte. Wenn ich Blut sehe, wird mir fast schlecht.
    Eine Seite meines Tagebuchs ist rechts unten eingerissen. Ich weiß genau, daß ich sie nicht beschädigt habe.
     
    3. MAI: Heute habe ich mit dem bärtigen Mann gesprochen – es war eine sehr einseitige Unterhaltung, zu der er den Anstoß gegeben hatte. Er gibt vor, alles erklären zu können, und er läßt sich durch nichts von seinen Theorien abbringen. Er hat behauptet, ich sei gar nicht imstande, etwas davon zu merken oder mich dagegen zu wehren, wenn sie mein Blut trinken, weil ich dann nicht mehr bei vollem Bewußtsein sei. Seiner Meinung nach bin ich ihr Favorit, weil ich jung und kräftig bin. Er brachte mich auch dazu, meinen Hals zu untersuchen, und ich stellte fest, daß sich dort die gleichen roten Punkte wie an seiner Kehle befanden. Der bärtige Mann erklärte mir auch, die beiden hätten mich die Gifte ruhig stehlen lassen, weil sie wüßten, daß ihnen mit Gift nicht beizukommen sei.
    Er erzählte mir, ich hätte draußen drei Menschen ermordet – vergiftet. Ich soll früher ein Apotheker gewesen sein, aber jetzt bin ich unheilbar geisteskrank und kann nie mehr entlassen werden. Der bärtige Mann behauptet, ich sei jahrelang in staatlichen Nervenheilanstalten gewesen und erst dann hierher gekommen. Ich kann mich nicht daran erinnern.
    Er behauptet, Doktor Mesh und Miß Utz seien Vampire. Als er mich endlich gehen ließ, legte ich mich auf mein Bett und verbrachte einen recht friedlichen Nachmittag. Ich träumte von Flaschen auf einem Regal – und dann fiel mir wie von selbst etwas ein.
    Der bärtige Mann glaubt, wir könnten sie mit Silberkugeln erschießen, aber ich finde Schußwaffen abscheulich.
    Ich habe derartige Dinge nie für möglich gehalten – aber wenn der Bärtige doch recht hätte? Warum sollten Doktor Mesh und Miß Utz keine Vampire sein? Hier wäre das ideale Versteck für sie. Niemand kümmert sich um Todesfälle, denn die Patienten sind längst vergessen. Man braucht nur die Unheilbaren zu nehmen, die sonst keiner haben will.
    Aber jetzt habe ich einen perfekten Plan. Der Bärtige muß mir dabei helfen. Er muß stehlen, was ich brauche. Das wäre für mich zu riskant, weil sie mich beobachten und heimlich lachen, wenn ich etwas stehle.
     
    4. MAI: Wir haben heute begonnen. Dem Bärtigen ist es gelungen, die große Flasche Salzlösung, den Gummischlauch und die Nadel für die Vene zu stehlen. Auch der andere Teil hat geklappt. Die Flasche stand genau an der angegebenen Stelle auf Doktor Meshs Regal. Ich hatte sogar die Farbe richtig in Erinnerung. Jetzt müssen wir auf einen geeigneten Zeitpunkt warten, um unseren Plan in die Tat umzusetzen. Vielleicht heute abend?
    Ich muß dieses Tagebuch gut verstecken.
     
    6. MAI: Ich habe Fieber. Wir konnten erst gestern abend damit anfangen, und es hat sehr lange gedauert. Ich habe das Gefühl, von innen heraus zu verbrennen, und mir ist so schwindlig, daß ich kaum stehen kann.
    Ich gebe mir große Mühe, wütend zu werden und einen Rückfall zu bekommen. Miß Utz beobachtet mich von ihrem Schreibtisch aus mit hungrig glitzernden Augen.
    Sie schaffen mich bestimmt wieder in den Beruhigungsraum.
     
    9. MAI: Nur ein paar Zeilen. Ich bin sehr krank. In meinem Innern scheint alles in Unordnung zu sein, und die Hitze ist jetzt so groß, daß meine Augen überall mehr Helligkeit als Schatten sehen. Ich liege hier im Beruhigungsraum und habe den ganzen Tag noch keinen lebendigen Menschen in meiner Nähe gesehen. Aber ich kann das schrille Gelächter des bärtigen Mannes hören, und ich habe auch gehört, daß er einmal begeistert die Hände
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