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Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit

Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit
Autoren: V.A.
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Am Tag vor der Ewigkeit
    (The day before forever)
     
Keith Laumer
     
     
Prolog
     
    Irgendwo schrillte ein Alarmsignal. Der alte Mann streckte seine Hand in der Dunkelheit aus und tastete nach der seidenen Klingelschnur. Er zog zweimal daran, herrisch und ungeduldig.
    »Sir!« antwortete eine Stimme sofort.
    »Seht zu, daß ihr ihn erwischt!«
    Der Alte sank in die Kissen zurück.
    Er lebt , dachte er. Er lebt wieder irgendwo in der Stadt ...
     
     
1
     
    Es war eine schmale Straße ohne Randsteine oder Gehsteige; sie verlief zwischen glatten grauen Mauern geradeaus, so weit ich sehen konnte. Im dunstigen Licht war auf der anderen Straßenseite ein großes Tor aus Schmiedeeisen erkennbar, das in die Mauer eingelassen war. Hier gab es weder Menschen noch geparkte Autos noch Türen noch Fenster zu sehen. Nur die Mauer, das Tor und die Straße. Kalte Regentropfen liefen mir übers Gesicht, und aus der Schnittwunde an meiner Oberlippe quoll Blut, das sich mit dem Regen vermischte. Ich betrachtete meine Handflächen; sie wiesen zahlreiche leichte Schnittverletzungen auf, und die Wunden waren voll Rost und Schmutz. Bei diesem Anblick fragte ich mich, wann ich die letzte Tetanusspritze bekommen haben mochte, aber allein davon wurden meine Kopfschmerzen schlimmer.
    Wenige Meter links von mir zweigte eine dunkle Gasse zwischen den Mauern ab. Ich hatte das Gefühl, daß dort jeden Augenblick etwas Unangenehmes auftauchen könnte, und ich fragte mich sogar, worum es sich dabei handeln mochte, aber das interessierte mich nur flüchtig. Ich brauchte ein dunkles Loch, in dem ich mich verstecken konnte, bevor ich mir Gedanken über so nebensächliche Dinge wie meine Identität und den Grund meiner Flucht machen durfte. Ich riß mich zusammen und löste mich von der Mauer. Das Straßenpflaster schwankte wie ein Schiff im Sturm, aber es blieb unter mir. Ich erreichte die sechs oder sieben Meter entfernte andere Straßenseite, stemmte dort eine Schulter gegen die Mauer und wartete darauf, daß die vor meinen Augen kreisenden bunten Lichter verschwanden. Mein Puls war etwas beschleunigt, aber das konnte man schließlich nach einem Wochenende erwarten, nach dem ein Mann sich auf einer fremden Straße wiederfand, wo er Selbstgespräche führte. Der Schüttelfrost ließ jetzt nach, und ich begann zu schwitzen. Meine Jacke war unter den Armen zu eng, und der Kragen rieb mir den Nacken auf. Ich sah mir einen Ärmel an. Der Stoff war steif und glänzte; stillos und billig. Nicht meine Jacke. Ich atmete mehrmals tief ein und aus, um endlich klar denken zu können. Es mußte eine sagenhafte Party gewesen sein, obwohl ich mich nachträglich an nichts mehr erinnerte.
    Ich wühlte in meinen Taschen und stellte enttäuscht fest, daß sie so leer waren, als käme ich eben vom Rennplatz. Ich hatte das Gefühl, irgend etwas übersehen zu haben; dann sah ich das Schild am Tor hängen. Die etwas verwitterte Aufschrift lautete:
     
    PARK NACH SONNENUNTERGANG AUF
    ANORDNUNG DER KOMMISSION GESCHLOSSEN.
    BETRETEN AUF EIGENE GEFAHR.
    VORSICHT – LEBENSGEFAHR!
     
    Ich warf einen Blick durch das Tor. Falls dahinter ein Park lag, ließ sich vielleicht ein Rasenstück finden, wo ich mich hinlegen konnte. Die Warnung VORSICHT – LEBENSGEFAHR! hätte mich abschrecken sollen, aber was kümmerte mich das, solange Aussicht auf ein paar Stunden Schlaf bestand? Ich rüttelte an den Gitterstäben, und das Tor öffnete sich geräuschlos nach innen.
     
    Eine weiße Marmortreppe, deren Balustraden mit Efeu überwuchert waren, führte in den Park hinunter. Am Fuß der Treppe begann ein Weg aus Sandsteinplatten zwischen quadratischen oder runden Blumenbeeten und sorgfältig gestutzten Büschen. Hier duftete es überwältigend nach Nachtschattengewächsen, und ich hörte leises Wasserrauschen in einem Brunnen. Zwischen den Hecken leuchteten hier und da Lampen, und in der Ferne jenseits der Parkmauer standen andere Lichter in langen Reihen wie Brücken am Himmel. Ein leichter Wind ließ die Blätter über mir rauschen.
    Nach rechts zweigte ein anderer Weg zwischen kleinen weißen Blumen ab und verlor sich im Schatten unter den Bäumen. Ich folgte ihm und horchte dabei nach hinten, weil ich verstohlene Schritte zu hören glaubte. Ich schien mich geirrt zu haben, aber das unangenehme Gefühl im Nacken blieb trotzdem.
    Im Gras unter den Bäumen vor mir lag irgend etwas – etwas Bleiches, Blasses, dessen Umrisse ich nicht gleich erkannte. Zuerst hielt ich es für ein
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