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Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit

Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit
Autoren: V.A.
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merkte, daß ich zu ihm hinübersah. »Schoßhündchen!« rief er mir daraufhin zu. Manchmal bin ich sehr wütend auf ihn. Er sagt dieses Wort immer, wenn er einen Rückfall hat. Ich frage mich nur, was er damit meint.
    Heute schreibe ich nicht weiter. Doktor Mesh behauptet, es sei gut, ein Tagebuch zu führen, aber ich habe Angst, daß jemand meines liest. Das wurde mich in Wut bringen, und wenn ich wütend werde, bekomme ich Rückfälle.
    Ich bin jetzt müde.
     
    18. APRIL: Diese Sache muß endlich aufhören. Ich habe es wieder mit dem bärtigen Mann versucht, aber er will kein Wasser trinken, das er nicht selbst frisch aus der Leitung gezapft hat. Ich vermute, daß er der Meinung war, ich hätte etwas getan, denn er hat mich lange bösartig mit halbgeschlossenen Augen beobachtet.
    Ich bin gestern aus dem Beruhigungsraum zurückgekommen. Ich war krank und schwach und elend. Ich konnte mich nicht mehr an die letzten Tage erinnern.
    Niemand scheint die Flasche gefunden zu haben, die ich an dem Tag versteckt habe, an dem ich den Rückfall bekam. Die Flasche ist jetzt bis zu der Stelle leer, wo der Totenschädel und die gekreuzten Knochen auf der Außenseite angebracht sind, aber sie hat ihren Zweck nicht erfüllt – der bärtige Mann ist nur wütend. Ich frage mich manchmal, warum Doktor Mesh mich so ärgert. Und Miß Utz? Wahrscheinlich kommt es daher, daß sie sich bewegen und sprechen und existieren. Die Alten, die still in ihren Betten liegen und mich nicht ansprechen, bringen mich nicht zur Raserei – nur der bärtige Mann und Doktor Mesh und Miß Utz.
    Aber ich weiß nicht, was ich gegen den Doktor oder Miß Utz unternehmen soll, und der Bärtige ist sehr vorsichtig.
    Heute gegen Mittag hat Miß Utz mir nach unten auf die Terrasse geholfen, und ich bin dort eine Weile in der Sonne sitzengeblieben. Die Blumen beginnen bereits zu blühen, und am Geländer der Terrasse ranken sich winzige dunkelrote und grüne Schlingpflanzen empor. Sie sehen sehr hübsch und giftig aus.
    Mein Nacken juckte, und ich kratzte mich an diesen Stellen, bis sie bluteten, und Miß Utz lachte ihr eisiges Lacken und betupfte die Stellen mit Jod. Sie hat mir erzählt, daß dies ein Privatsanatorium ist – eine private Nervenheilanstalt, die mit privaten Mitteln unterstützt wird und nur hoffnungslose Fälle aufnimmt, die schon jahrelang in anderen Anstalten gewesen sind, bevor sie hierher verlegt wurden. Warum bin ich dann hier, wenn das wirklich stimmt?
    Am Nachmittag untersuchte Doktor Mesh meine Reflexe und horchte mein Herz ab. Er behauptete, ich befände mich in ausgezeichneter körperlicher Verfassung. Er schien sehr damit zufrieden zu sein. Er antwortete nur ausweichend, als ich ihn fragte, ob ich jemals wieder völlig gesund werden würde, und das ärgerte mich. Aber ich brachte es fertig, mir nichts anmerken zu lassen.
    Als ich wieder im Schlafsaal war und Miß Utz einige Minuten lang nicht sah, tröstete mich das Bewußtsein, die Giftflasche in erreichbarer Nähe zu haben.
     
    30. APRIL: Die Träume werden schlimmer. So klar und wirklichkeitsgetreu. In einem Traum war ich in Doktor Meshs Behandlungszimmer. Ich konnte die hübschen Flaschen auf den Regalen sehen. Miß Utz und Doktor Mesh lasen mein Tagebuch und lachten dabei. Der bärtige Mann schrie mir aus weiter Ferne irgend etwas zu. Der Traum war sehr wirklich, aber ich konnte die Augen nicht öffnen.
    Heute morgen beobachtet der bärtige Mann mich von seinem Bett aus. Er sieht sehr elend aus – aber er hat diese Woche auch einen Rückfall gehabt. Diese Rückfälle schwächen sehr, hat Doktor Mesh mir einmal erklärt.
    Ich war schon etwas früher in Doktor Meshs Behandlungszimmer und hatte Gelegenheit, in den Spiegel zu sehen. Ich habe mich nicht wiedererkannt. Manchmal habe ich fast den Eindruck, mein Kopf sei aufgesägt worden, und jemand habe den Inhalt durcheinandergerührt, bevor er den Kopf wieder zuklappte. Ich spüre keine Schmerzen, aber ich weiß nicht mehr, wo meine Erinnerungen geblieben sind.
    Vor einiger Zeit habe ich es mit einer Kleinigkeit aus der neuen Flasche versucht, die ich aus Doktor Meshs Behandlungszimmer mitgenommen habe. Es hat nicht geklappt. Nichts scheint zu wirken – obwohl ich selbst gesehen habe, daß Miß Utz etwas von dem Wasser getrunken hat.
     
    2. MAI: Ich muß dieses Tagebuch unbedingt an einem sicheren Platz verstecken. Ich bin fest davon überzeugt, daß sie es heimlich lesen, obwohl ich ihnen natürlich nichts nachweisen kann.
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