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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman
Autoren: Martin Smaus
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Schnellzug eingefahren, von Bečva, Cheb, Františkovy Lázně über Rokycany, Prag und Olomouc nach Vsetín, Horní Lideč, Púchov, Žilina, Kysak und Košice.
    Andrejko blieb stehen. Er schloss die Augen und sah die Möwen wieder über dem Fluss kreisen, sah Darjas Puppe in einem weichen Nest aus Laub, der Geruch von feuchter Erde stieg ihm in die Nase, seine Finger spürten das Quellwasser beim Schöpfen, berührten weiße Birkenrinde und das schwarze Holz der hundertjährigen, handgezimmerten Balken. Plötzlich lichtete sich der Nebel und gab den Blick frei auf einen Weg   – seinen Weg.
     
    In den Schaufenstern auf der Americká-Straße blinkten bunte Lichterketten und der Wind wirbelte zerknüllte Werbezettel durch die Luft.
    Die Uhr auf der Kreuzung schnitt eine weitere Minute ab, auf der Ampel wechselten die Farben, eine Autoschlange hielt an, eine andere fuhr los.
    |359| Auf der gegenüberliegenden Straßenseite quietschten Bremsen, im Spielautomat ging ein weiteres Fünf-Kronen-Stück unter, in einem Hinterhof stieß jemand eine Mülltonne um.
    Die Stahlräder stemmten sich gegen die Gleise, der Schnellzug nach Prag setzte sich langsam in Bewegung.
    Ein alter Hund, den man an einen Pfeiler gebunden hatte, zitterte vor Kälte und winselte.
    Vor einer Kneipe plärrte ein Baby in einem Kinderwagen.
    Schwere nasse Schneeflocken fielen auf die Dächer von Pilsen herab.
     
    In dem Augenblick, als sich auf Gleis zwei Andrejko an der Waggonklinke festhielt und sich auf das Trittbrett des anfahrenden Zuges hochzog, zeigte eine verstaubte Bahnhofsuhr kurz nach zwei Uhr nachmittags an.
    Es war Donnerstag, der dreiundzwanzigste Dezember, Anno neunzehnhundertdreiundneunzig nach Christi Geburt.

Informationen zum Buch
    Andrejko ist kaum vier Jahre alt, als ihn sein Onkel Fero aus der Romasiedlung in den ostslowakischen Waldkarpaten zu Verwandten nach Prag bringt, die dort am Rande der Legalität leben. Fero ist tief beeindruckt von der Fingerfertigkeit des Jungen, die sich in der Stadt gewinnbringender einsetzen lässt als in der einsamen Bergregion. Und Andrejko lernt schnell. Er bettelt und stiehlt und erwirbt sich rasch einen Ruf als geschickter Dieb und Taschenspieler. Doch Andrejko will sich nicht wie seine Verwandten in den Nischen der Gesellschaft einrichten. Ihn zieht es zurück zum ursprünglichen Leben in den Bergen.
    Kraftvoll und poetisch erzählt Martin Šmaus von dem bewegten Leben eines Romajungen vor dem Hintergrund des zusammenbrechenden Kommunismus. Er wirft grundlegende Fragen nach der Zukunft der Roma in Europa auf und vermag es, ihre Mentalität realitätsnah und aufwühlend zu vermitteln.
    Eine Lektion im Überleben   – eine Hymne auf die Freiheit.

Informationen zum Autor
    Martin Šmaus
, geboren 1965 in der südöstlich von Prag gelegenen Stadt Jihlava, studierte Elektrotechnik und arbeitet als Techniker in einem Krankenhaus. ›Mach mal Feuer, Kleine‹ ist sein erster Roman, dem über die Landesgrenzen hinaus große Aufmerksamkeit zu teil wurde. Martin Šmaus lebt mit seiner Familie in Odry (Novojičínsko) im Osten Tschechiens.
     
    Eva Profousová
, geboren 1963 in Prag, studierte Slawistik und Geschichte in Hamburg und Glasgow. Sie hat unter anderem Jáchym Topol, Radka Denemaková, Jaroslav Rudiš und Michal Viewegh ins Deutsche übertragen. 2010 wurde ihr der Hamburger Übersetzerpreis verliehen. Eva Profousová lebt in Hamburg.
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