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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman
Autoren: Martin Smaus
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ähnlich ihre hinter den schweren Lidern verborgenen tiefschwarzen Augen denen von Anetka waren   … Er saß am Tisch, zu erschöpft, um auch nur noch ein einziges weiteres Wort zu sagen, und Ida taumelte durch die Küche, rang die Hände und rief laut nach ihrer Tochter. Sie schluchzte und raufte sich die Haare, ließ sich schwer auf den Stuhl fallen und sog geräuschvoll die Luft ein, dann sprang sie unvermittelt auf, bohrte einen Finger in Andrejkos eingefallene Brust, und ihre blutunterlaufenen Augen spien wütende Flammen.
    Du, du hast sie dahin geschleppt, schrie sie mit sich überschlagender heiserer Stimme, in dieses verfluchte Kaff am Arsch der Welt   … Es ist deine Schuld   … Anetka,
čhajori
, mein Mädchen   … Du hast sie umgebracht! Sie stürzte sich auf Andrejko, trommelte mit den Fäusten auf ihn ein, er aber starrte nur weiter vor sich hin, schweigend, ohne sich zu rühren, selbst dann nicht, als sie einen Teller nach ihm warf und ihn an den Haaren packte und seinen Kopf auf die Tischplatte schlug, er wehrte sich nicht einmal, als sie mit einem stumpfen Küchenmesser auf ihn einstach.
    Die Stiche taten nicht weh, das Blut, das durch sein Hemd sickerte, war ihm gleichgültig   … Ida brach verzweifelt zusammen, |346| sie sackte auf den Boden, das Messer glitt ihr aus der Hand, und ihr pfeifender Atem wechselte in ein würgendes Röcheln. Nach einer Weile stand Andrejko auf und schleppte sie ins Nebenzimmer, dort legte er sie neben Darja ins Bett und setzte sich zu ihr, mit der einen Hand hielt er ihre schwere, geschwollene Hand, mit der anderen Hand streichelte er die dünnen Finger seines Mädchens. Er hatte nicht einmal die Kraft zu schluchzen, er saß einfach nur da.
    Ida, die zu erschöpft war, um Andrejko umzubringen, atmete schwer, und Andrejkos Augen wanderten durch den Raum, sie streiften das Bett, in dem seine Anetka geschlafen hatte, den Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, und die Klinke, die sie berührt hatte, sie bohrten sich in den Fußboden, in die Dielen hinein, auf denen sie getanzt hatte, barfuß und im rosa Kleidchen, die anderen hatten um sie herumgestanden und ihre trippelnden Schritte mit Händeklatschen angefeuert   …
     
    Die Tante kam erst gegen Abend wieder zu sich. Die Bullen sind hiergewesen, sagte sie ruhig, als wäre einige Stunden zuvor nichts geschehen, und sie stellte ein randvoll gefülltes Schnapsglas vor Andrejko. Er roch daran und Tränen schossen ihm in die Augen. Was für ein Zeug war denn das, Brennspiritus oder Lösemittel, so roch normaler Alkohol doch nicht, nicht mal der
horilka
, der Waschschüsselschnaps aus Poljana, hatte so gestunken. Andrejko erschauerte, aber er tat, als nippte er daran, während Ida das Glas in einem Zug herunterkippte und sich sofort ein neues eingoss.
    Also bist du Anetkas Tochter, sagte sie zu Darja, meine Enkelin   … und ich bin deine Oma, fügte sie schnell hinzu und Darja duckte sich erschrocken.
    Versteht sie mich nicht? Die Tante zog die Augenbrauen |347| hoch, und Andrejko warf verlegen die Arme auseinander: Na, wir haben   … wir haben auf Romani   …
    Romani, Romani   … die Tante verzog das Gesicht, wir sollen so reden, wie’s gut ist für uns   … was bringt uns das Romani schon? Jetzt ist nichts mehr gut, sagte sie nach einer Weile, wenig Kinder   – wenig Geld, an jeder Ecke eine Bank, aber wozu ist eine Bank gut, wenn man kein Geld hat   … das alles ist ja auch nicht für uns, das ist nur für sie gut, für die Gadsche   … als hätten sie anderes Blut als wir   … Die Arschlöcher haben Marián und Imro wieder eingesperrt. Für uns Zigeuner bleibt wieder nur Scheiße übrig   …
    Auf einmal sagte sie: Und Geld   … hast du Geld?
    Andrejko stand auf und suchte seine Taschen ab, da kam einiges auf dem Tisch zusammen, ein schmutziges Taschentuch, eine entwertete Bahnfahrkarte, eine Quittung und ein abgerissener Knopf, ein Stück Paketschnur und sein restliches Geld, ein paar Hunderter und eine Handvoll Münzen. Noch heute früh waren es dreitausend mehr gewesen. Aber er schwieg und zuckte nur mit den Schultern.
    Na   … das ist nicht viel, sagte Ida und zog den größten Schein aus dem Haufen. Tschechoslowakisch, sagte sie, der gilt nicht mehr, und der hier, der hat einen slowakischen Aufkleber, der muss getauscht werden, aber auf der Post wird man sowieso bestohlen, man kriegt immer weniger. Als ob es nicht egal wäre, tschechisch oder slowakisch, schimpfte sie und steckte dabei
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