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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman
Autoren: Martin Smaus
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das Geld in die Tasche, dann kippte sie ihren Schnaps hinunter und Andrejkos gleich hinterher und torkelte zur Tür hinaus.
    Kurz darauf schlüpfte Tibor in die Küche. Er war ganz mager und kratzte sich in einem fort, keinen Moment blieb er ruhig sitzen, als würde ihn alles jucken, seine Hände zitterten, pausenlos trommelte er mit den Fingern auf den Tisch und |348| spielte dabei mit einem Teelöffel, einer Streichholzschachtel oder einem Kronkorken.
    Du, Andrejko   … hat euch auch keiner gesehen?, fragte er plötzlich.
    Na   … der, dem das Haus jetzt gehört, der da unten diesen Laden hat   … Wir müssen ganz leise sein, damit er uns nicht rausschmeißt, die Bullen sind schon paarmal hiergewesen, er hat sie geschmiert, erzählte Tibor, und Andrejko dachte an die neue Fassade und das Schaufenster.
    Ist egal, Tibor unterbrach sich, als er Andrejkos Verwirrung bemerkte, aber zeig dich hier lieber nicht zu sehr   …
     
    Tante Ida kam erst am nächsten Tag zurück. Was glotzt du so, sagte sie barsch, als sie Andrejkos vorwurfsvollen Blick sah, was glotzt du so, ging nicht früher   …
    Was ging nicht?, entfuhr es Andrejko. Und mein Geld?
    Tu nicht so blöd, fertigte sie ihn barsch ab und verzog sich ins Nebenzimmer, von wo man bald ihre schweren Atemzüge vernahm. Andrejko lugte hinein. Ida lag auf dem Bett, so wie der Schlaf sie übermannt hatte, halb ausgezogen, ungewaschen und ungekämmt, sie sah wie eine zerknüllte Brottüte aus   … und Andrejko schloss leise die Tür, setzte sich an den Tisch und stützte den Kopf in die Hände. Darja lag im Bett, sie klagte über Schmerzen und wollte nicht aufstehen, sie war ganz heiß und der Bauch tat ihr weh, wahrscheinlich hatte sie sich eine Erkältung geholt, in der Dusche am Bahnhof war es sehr warm gewesen, der Zug hingegen war ungeheizt. Was sollte aus der Kleinen werden, wer würde sich um sie kümmern, wenn ihn die Polizei holen sollte, Ida versäuft doch alles gleich   … Was sollte er mit Darja machen, was um Gottes willen sollte er gegen ihre Bauchschmerzen machen?
    |349| Kannte er hier überhaupt noch jemanden? Die Ärztin aus der Klapse in Dobřany   … oder den ehemaligen Schuldirektor, der selbst im Heim gelandet war, als ganz gewöhnlicher Lehrer   … Milan, sein Cousin, der könnte vielleicht helfen, aber der war nicht da, außerdem hatte Ida ihm von Milans neuester Idee erzählt: Sobald Marián und Imro aus dem Knast rauskommen, noch vor Weihnachten, würden sie ihr ganzes Geld zusammenkratzen, Flugtickets in den Westen kaufen und dort um Asyl bitten, weil sie von den bösen Tschechen geschlagen werden   … Warum nicht, wenn wir jetzt diese Freiheit haben, sagte Ida, selbst wenn man sie von dort wieder zurückschickt; dann bringen sie Geld heim und bekommen außerdem noch die Sozialhilfe für das ganze letzte Jahr und den Schlüssel für ’ne neue Wohnung, die alte werden sie verkaufen müssen, um Geld für die Flugtickets zu haben, die fahren doch nicht mit dem Bus so weit! Das haben Marián und Imro auch gleich kapiert, die zermartern sich den Kopf nicht mit unnötigen Gedanken, sie schauen sich nicht um und sind nicht pingelig, sondern gehen dahin, wo es gut für sie ist, wo man noch was kriegt. Am Vortag hatte Ida Andrejko ordentlich die Leviten gelesen. Du bist und bleibst ein Dummkopf, immer hast du alles anders gemacht, Anetka könnte noch bei uns sein, dann hätten wir Geld genug, ajajaj   …
    Er hörte die Tante im Nebenzimmer husten, sie röchelte, ihre Stimme war ganz heiser, ihre Lungen schienen zu bersten, und Andrejko biss sich auf die Lippen.
Love
, Penunze, Geld, schon wieder dieses verfluchte Geld   … In manchen Kneipen sammelte man Geld, hatte Ida erzählt, man spendete für die Zigeuner, für ein Flugticket, nur für den Hinflug allerdings   …
    Vielleicht hatten seine Cousins recht, vielleicht war es wieder an der Zeit, die Fesseln zu durchtrennen, die Brücken |350| hinter sich abzubrechen und die Pferde anzuspannen, so wie damals die Dunkas von Poljana, als sie ihre Bruchbuden in Brand steckten, damit sie es ein letztes Mal warm hatten, und dann die nächste Etappe ihrer langen Reise in den Westen in Angriff nahmen, der Sonne hinterher. Vielleicht waren Ostrava, Prag und Pilsen nur vorübergehende Stationen, wie Lager, die man mitten in der Steppe aufschlug. Vielleicht war wieder eine Zeit angebrochen, in der man sich bewegen, die Wohnung verkaufen, mit einer Handvoll Banknoten ein Taxi heranwinken und
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