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Fragmente des Wahns

Fragmente des Wahns

Titel: Fragmente des Wahns
Autoren: M Schmid
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UNFALL
     
    Mittwoch, 14. Juli 2011
    16.40 Uhr, auf der Autobahn
     
    „Ja, Schatz. Ja … okay. Wie schon ge … ja, ja. Natürlich kann ich das machen.“
    Alex schwieg und ließ seine Frau ungestört weiterreden, denn schließlich wäre er ohnehin nicht mehr zu Wort gekommen. So verliefen nämlich die meisten ihrer Gespräche. Vor allem jene, die sie über das Telefon führten.
    Während Lisa weitersprach, schaltete Alex endgültig auf Durchzug. Er war mittlerweile viel zu sehr damit beschäftigt, sein Handy am linken Ohr festzuhalten, während er mit der rechten Hand sowohl lenkte als auch schaltete. Dadurch überfuhr Alex mehrmals den Mittelstreifen und stattete dabei der linken Straßenseite einen kurzen Besuch ab.
    Erst als die Autos vor ihm rapide langsamer wurden, ehe sie vollständig zum Stillstand kamen, wusste er, dass er nun wieder Zeit für seine Frau haben würde.
    Alex war in der Regensburger Altstadt gefangen. Der Berufsverkehr und der dazugehörige Stau hatten ihn wieder einmal fest im Griff.
    „Du vergisst es aber nicht wieder, oder Alex?“
    Lisas Stimme klang gereizt. Womöglich hatte sie langsam begriffen, dass ihr „geliebter“ Ehemann ihr nicht mehr aufmerksam zuhörte.
    „Nein Schatz, ich hab es dir doch gerade versprochen. Sobald ich aus diesem Stau draußen bin, mache ich mich sofort auf den Weg nach Hause und nehme davor, wie gewünscht, frisches Brot fürs Abendessen und Nutella fürs morgige Frühstück mit, okay?“
    „Vergiss es einfach nicht, Alex. Du weißt ganz genau, wie enttäuscht Lilli sein wird, wenn sie morgen ihr Nutellabrot nicht bekommt.“
    „Schon klar. Ich weiß doch, was meine Kleine am liebsten zum Frühstück isst. Und keine Sorge, ich werde mir schon zwei Dinge für eine Viertelstunde merken können … auch wenn ich ein Mann bin.“
    Alex musste bei dieser letzten Bemerkung einfach lächeln, und obwohl Lisa das nicht sehen konnte, schien sie es zu spüren. Sie konnte sich ein leises Kichern nicht verkneifen. Schließlich kannte sie ihren Göttergatten nicht anders.
    „Ah, endlich geht es weiter“, kommentierte Alex den sich langsam aufzulösenden Stau. Er nahm bereits wieder „stolze“ 30 Km/h Fahrt auf.
    „Okay, ich leg dann mal auf“, sagte Lisa. „Wir sehen uns ja gleich. Lilli freut sich schon.“
    „Ich mich auch.“
    Mit diesen letzten Worten drückte Alex den roten Hörerknopf auf seinem Handy, legte auf und warf es gedankenlos auf den Beifahrersitz, ehe er sich wieder der Straße widmete. Alex beschleunigte, kaum dass sich der Stau vollends gelöst hatte, setzte kurze Zeit später den Blinker und bog nach rechts auf die Autobahn ab.
     
    Für Alex waren die schönsten Momente des Autofahrens genau jene, welche er auf der Autobahn verbringen konnte. Auch wenn seine Frau genau diesen Fahrstil an ihm hasste, so gab es für ihn keinen besseren Adrenalinkick als den Beschleunigungsstreifen. Er liebte es, wie der Motor auf Hochtouren kam, dabei grölte und er langsam das Gefühl bekam, eins mit seinem Gefährt zu werden. Und dann bog er meist mit hundertzwanzig Sachen nach links ab, um sich dem Verkehrsfluss anzupassen. Leider.
    Gerade fuhr Alex auf dem Beschleunigungsstreifen hinter einem schwarzen Audi A6 hinterher und wünschte sich dabei nichts sehnlicher, als auch einmal ein solches Auto besitzen zu können. Doch er wusste haargenau, dass dies niemals passieren würde.
    Alex war ein einfacher Büroangestellter bei einer Firma, die für den Handel von antiken Möbeln zuständig war und obwohl er nicht schlecht verdiente und seiner Familie auch etwas bieten konnte, würde es für einen solchen Neuwagen wohl nie reichen.
    Ich könnte mir ja nicht einmal den Unterhalt dafür leisten.
    Während Alex noch in Gedanken war, bog besagter Audi auf die rechte Spur, was ihm die Gelegenheit bot, weiter zu beschleunigen und seinen Traumwagen zu überholen. Er sah kurz auf seinen Tachometer und musste feststellen, dass er bereits 160 km/h fuhr, obwohl gerade auf 100 km/h begrenzt war. Sofort drang die Stimme seiner Frau in seinen Kopf.
    Was soll das, Alex?! Du weißt ganz genau, dass ich es nicht leiden kann, wenn du wie ein Verrückter fährst! Du hast schließlich Lilli und mich! Verstehst du das denn nicht?!
    Alex bremste ab.
    Doch … er verstand. Nur zu gut.
    Seine Mutter war vor zwanzig Jahren gestorben. Sie hatte sich abends im Badezimmer den Kopf angeschlagen, als sie auf den nassen Fliesen ausgerutscht war. Die Ärzte hatten ihm später im
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