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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman
Autoren: Martin Smaus
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Wasser, während Andrejko ihre nassen Sachen mit Seife und Bürste bearbeitete, dann nahm er sich auch die Kleine vor und wusch sie gründlich, zum Schluss standen sie gemeinsam unter dem heißen Wasserstrahl und bespritzten sich mit Wasser. Wenigstens in diesen wenigen Minuten waren sie zufrieden und glücklich.
     
    Und schon wieder warteten sie auf den Zug, die saubere und nach Seife duftende Darja saß auf einer Bank und Andrejko lief auf dem Bahnsteig auf und ab. Ein Stückchen weiter ging irgendetwas vor sich, ein paar Leute standen im Kreis um einen Typen in Lederjacke mit schwarzen Haaren und einem dunklen Gesicht. Er hockte vor einer umgedrehten Bananenkiste, auf der er flink schwarze Gummiplättchen verschob, und murmelte ununterbrochen: Gutt   … Nicht gutt   … |340| Gutt   … Jetzt Vorsicht, nicht gutt, hier gutt, wer macht mit   … Von Zeit zu Zeit drehte er eines der Plättchen um und zeigte, dass auf der anderen Seite ein goldenes Wappen prangte. Wenn er mit dem Mischen der Plättchen fertig war, tauchte jedes Mal von irgendwoher eine Hand mit einem Tausend-Kronen-Schein auf, legte das Geld auf eines der Plättchen und nahm dann wortlos den Gewinn entgegen, ebenfalls einen Tausender. Andrejko sah den flinken Händen zu und merkte, wie leicht es war, das richtige Plättchen zu erraten. Die Aussicht auf das schnelle Geld blendete ihn, sie ließ ihn zwischen den Gaffern nach vorn treten und zog ihm einen Tausender aus der Tasche   … Die Menge sah schweigend zu. Der dunkle Typ, der mit dem Mischen und Zaubern beschäftigt war, nahm Andrejkos Banknote zwischen die Finger und schnipste mit dem Daumennagel das Plättchen um, auf das Andrejko gezeigt hatte, aber auf der anderen Seite war nur ganz normales pechschwarzes Gummi   … Andrejko erstarrte und hörte wie aus ganz weiter Ferne: Nicht gutt, mein Herr, Vorsicht, nicht gutt   … gutt, gutt, Achtung, hier nicht gutt, hier gutt, wer macht mit, nicht gutt, hier gutt   … Die Plättchen wechselten geräuschvoll ihren Platz, das Wappen tauchte wieder dort auf, wo es auch hingehörte, und Andrejko überlegte fieberhaft, wie er das verlorene Geld zurückbekommen konnte, es war das Geld einer ganzen Arbeitswoche, für Arbeit von Montag bis Samstag, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, in unerträglicher Hitze, bei Regen oder beißendem Frost   … Als er klein war, hatten sie ein ähnliches Spiel mit Nussschalen und einer Glasperle gespielt, damals war Andrejko der Schnellste, keiner konnte es mit ihm aufnehmen. Und schon zog er den nächsten Tausender aus der Tasche und kurz darauf den nächsten, um zumindest den zweiten zurückzugewinnen. Mit weit aufgerissenen Augen |341| kratzte er schließlich sein restliches Geld zusammen, aber der Dunkelhäutige schob seine Hand zur Seite: Nicht gut, ein Spiel tausend Kronen   … Andrejko zog sich zitternd zurück, vor lauter Scham stieg ihm das Blut in den Kopf, er sah, wie eine Hand aus dem Nichts auftauchte und einen Tausender auf eben jenes Plättchen legte, auf das auch er hatte zeigen wollen, er sah sie eben noch den Gewinn kassieren, und schon zogen sich die fremden Rücken und Lederjacken vor ihm zu einer undurchsichtigen Wand zusammen, wie die Wasseroberfläche eines trüben Dorfteichs, nachdem man einen Stein hineingeworfen hatte   …
    Das sind nicht unsere Leute, schoss ihm durch den Kopf, die waren aus dem Osten, so reden doch Ukrainer oder Russen. Das passte aber irgendwie nicht, es ergab keinen Sinn für ihn, die Ruthenen von Poljana waren schweigsam und hart im Nehmen, tagsüber beugten sie sich über ihre Ackerfurchen, abends über das Schnapsglas auf dem Wirtshaustisch, mit rauen Händen jagten sie sich Selbstgebrannten durch die Kehlen. So, abgerackert und angetrunken, mit schwieligen Fingern, so kannte er sie, in abgewetzten Jacketts mit durchgescheuerten Ellbogen   … Diese hier, mit ihren Lederjacken und Goldketten um den Hals, die waren anders   … Ein paar Meter weiter standen zwei, die sich vorhin um den Plättchenmagier herumgedrückt hatten, sie pressten einen armen Kerl in einem dünnen, billigen Jogginganzug gegen einen Pfeiler, neben ihm stand ein Pappkoffer, der Mann blickte verzweifelt um sich, es war nicht zu übersehen, dass er von einer Baustelle unterwegs nach Hause war. Er zögerte einen Moment, aber als die beiden deutlicher wurden, zog er sich die Schuhe aus und fingerte das Geld aus den Socken, er wollte ihnen ein paar Banknoten abzählen, doch die beiden
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