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0077 - Der Mörder aus dem Nichts

0077 - Der Mörder aus dem Nichts

Titel: 0077 - Der Mörder aus dem Nichts
Autoren: Der Mörder aus dem Nichts
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Beim Bau dieser Anlage hatte die Hoffnung regiert, daß jeder, der eine Zeit in ihr verbringen mußte, sie eines Tages gesund an Leib und Geist wieder verlassen konnte.
    Und doch gab es auch in diesem lockeren Gebäudekomplex ein Haus, das, obwohl es von außen nicht anders aussah als die anderen, Düsternis und Hoffnungslosigkeit ausstrahlte. Der ahnungslose Betrachter bemerkte erst gewöhnlich auf den zweiten Blick, was dieses Gebäude von den anderen unterschied. Die Fenster lagen höher. Sie waren nicht verglast, sondern mit einem undurchsichtigen Kunststoff verschlossen. Und sie waren vergittert.
    Gebäude 7 beherbergte die geschlossene Abteilung des Sanatoriums. Hinter seinen Mauern lagen die Zellen und Räume für gemeingefährliche Geisteskranke.
    ***
    Thomas Evers stand seit dreißig Jahren im Dienst der Krankenbetreuung, und mehr als zwanzig davon hatte er als Wärter in Nervenheilanstalten und Irrenhäusern verbracht.
    In dieser Woche war ihm der Dienst als Nachtwächter in der geschlossenen Abteilung zugefallen. Evers bezog die Aufseherkabine, die im ersten Stock lag, rundherum verglast war und von der aus man auch die Türen der Zellen im Parterre und im zweiten Geschoß zum größten Teil überschauen konnte.
    Die Dienstvorschrift legte ihm auf, alle zwei Stunden das Haus zu kontrollieren. Evers erfüllte diese Vorschrift gewissenhaft. In regelmäßigen Abständen schlurfte er auf Pantoffeln, um die Kranken nicht zu stören, durch die Gänge, öffnete lautlos hier und da die Gucklöcher in den Türen, hinter denen er besonders unruhige Kranke wußte, stach die Kontrolluhren und regulierte die Heizung.
    Evers war ein freundlicher und zuverlässiger Mann, aber zwanzig Jahre Dienst in Irrenhäusern stumpfen ab. Zwar spürte der Wärter die Unruhe, die hinter den Türen grollte. Er wußte, daß die Kranken sich oft verhielten wie Tiere in der Nacht, daß sie hinter den Türen kauerten mit starren Augen, daß sie auf das leise Geräusch seiner Schritte lauschten und warteten, daß etwas, irgend etwas sich ereigne.
    Manchmal brach die Spannung, die sie beherrschte, in einem von ihnen aus. Dann sprang er wohl, wenn der Wärter vorbeischlich, gegen die Tür, wie ein wildes Tier im Zoo fauchend gegen die Gitter prallt. Und wie das Tier, zurückgeschleudert vom unerbittlichen Eisen, seine Enttäuschung hinausheult in grollendem Gebrüll, so begann der Wahnsinnige zu toben, zu schreien und mit den Fäusten gegen die Tür zu hämmern. Dahn pflanzte der Ausbruch des einen sich fort von Zelle zu Zelle. An allen Türen hämmerten die Fäuste, hinter allen Türen gellten die Stimmen aus menschlichen Kehlen Laute hervor, die kaum noch menschlich zu nennen waren. Oft dauerte es dann Stunden, bis das Haus sich wieder beruhigte.
    Thomas Evers kannte auch diese Nächte. Er wußte genau, was er in solchen Fällen tun mußte. Die Ärzte vom Nachtdienst waren zu alarmieren, die Wärter aus den anderen Häusern mußten herbeigerufen werden. Solche Nächte waren schlimme Nächte. Immer bestand die Gefahr, daß einer der Kranken gegen sich selber wütete; und obwohl die Zellen so . eingerichtet waren, daß die Wahnsinnigen sich nicht selbst verletzen konnten, so war es doch schon vorgekommen, daß einer im Paroxysmus, in einer Körper Verrenkung, die jenseits alles Vorstellbaren lag, sich selbst das Genick brach.
    Unter den Krankenwärtern der staatlichen Irrenanstalt galt ein Wärter für tüchtig, wenn es während seines Nachtdienstes in der geschlossenen Abteilung selten vorkam, daß ein allgemeiner Ausbruch das Haus in Unruhe versetzte. Thomas Evers zählte die zweitwenigsten Unruhenächte, und es war sein ganzer Ehrgeiz, Forster Gleens, seinen Kollegen, der nur zwei Unruhenächte weniger hatte als er, einzuholen.
    Evers wußte aus Erfahrung, daß die Gefahr eines Unruheausbruches immer dann besonders groß war, wenn der Wärter seinen vorgeschriebenen Rundgang machte.
    Heute trat er besonders vorsichtig auf. »Eine schlechte Nacht«, murmelte er. »Zu schwül und außerdem Vollmond! Das macht unruhig!«
    Er blieb stehen und drehte sich um. Er glaubte einen Atem in seinem Nacken gefühlt zu haben, aber da war niemand. Der lange Gang mit den genau gleichen Türen rechts und links, die sich nur durch die aufgemalten Nummern unterschieden, lag leer im trüben Licht der Nachtbeleuchtung.
    Evers ging weiter und öffnete das Guckloch zur Zelle 14. Der erfahrene Wärter wußte auswendig, welcher Kranke in einer Zelle lag. In Nummer
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