Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0112 - Das Hexendorf

0112 - Das Hexendorf

Titel: 0112 - Das Hexendorf
Autoren: Walter Appel
Vom Netzwerk:
Das Lied hatte viele Strophen, und am Ende jeder Strophe kreischten die Weiber wie toll. Es war ein höllischer, toller Wirbel, der sich vor dem Hauptgebäude des alten Schlosses abspielte.
    Ein wahnsinniger Hexensabbat. Von den Männern von Czerkössy und von jenen Frauen, die keine Hexen waren, hätte sich in dieser Nacht niemand auf die Schloßruine gewagt. Nicht um alles Geld und Gut der Welt. Sie wären von der entfesselten Horde glatt in Stücke gerissen worden.
    Plötzlich, um Punkt Mitternacht, dröhnte unvermittelt ein Gongschlag. Von einer Sekunde zur anderen endete der wilde Reigen.
    Die Hexen standen wie erstarrt. Die dicke Erzsebeth Kun, die Oberhexe des Zirkels, trat ans Feuer heran.
    Sie keuchte heftig, ihr massiger Busen wogte, der Schweiß tropfte von ihrem Gesicht. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, dunkelrote Locken umrahmten ein volles Gesicht, in dem jettschwarze Augen glitzerten.
    Erzsebeth zog eine Handvoll grünliches Pulver aus ihrer Kleidertasche. Sie warf es ins Feuer, es zischte und knallte, ein übelriechender Dunst stieg auf. Es roch nach Bilsenkraut, Pech und Schwefel, die Flammen wurden für Sekunden grünlich.
    Die Oberhexe reckte die Arme empor.
    »Jadwiga Vaszary!« schrie sie mit gellender Stimme. »Schwester im Hexentum, Tochter des Satans, Herrin der Nacht, blutige Gräfin! Wir, die Hexen von Czerkössy, rufen dich wie bei jedem Sabbat! Oh, könntest du nur wieder in unserer Mitte sein und die alten Zeiten zurückbringen! Wir glauben an die Prophezeiung des Satans, vermittelt durch den Mund der alten Wawra, daß du eines sabbatnachts zurückkehren wirst!«
    »Und heute wird diese Prophezeiung erfüllt!« rief eine Frauenstimme. »Bald ist die Zeit gekommen!«
    Die Hexen stutzten, sie schauten sich um, sie konnten es kaum glauben. Trogen sie ihre Sinne? Vermittelten ihnen die Hexensalbe, mit der sie sich vor dem Aufstieg zur Schloßruine am ganzen Körper eingerieben hatten, und der vor dem Reigen genossene Rauschtrank Halluzinationen?
    Beim Reigen glaubten sie manchmal zu fliegen, und sie hörten eine wilde Musik aus anderen Sphären. Sie waren alle berauscht, aber eine Antwort bei der Anrufung hatten sie noch niemals vernommen.
    Die Hexenweiber tuschelten und raunten. Sie blickten einander an, sahen in die Runde.
    »Jadwiga Vaszary?« fragte Erzsebeth.
    Da erschien ein glühender Punkt in der Luft. Er schwebte vor der dunklen Silhouette des Schloßgebäudes mit den gähnenden leeren Fensterhöhlen herunter. Zu dem Feuer und der Runde der Hexen hin.
    Der Punkt wurde größer. Klagendes Hundegeheul erscholl in der Feme, von einer Pappel im Schloßpark flog ein verstörtes Käuzchen auf. Als die Leuchterscheinung die Größe eines Fußballs erreicht hatte, platzte sie auseinander.
    Es knallte wie ein Kanonenschuß, die Hexen zuckten zusammen und wandten sich ab. Sie schützten die Gesichter mit den Händen und Unterarmen. Doch keine wurde von den glühenden Brocken getroffen, diese lösten sich auf.
    Sie verschwanden im Nichts. Ein grausames Gelächter gellte.
    »Was seid ihr so schreckhaft? Erkennt ihr mich nicht? Auf, auf, erweist mir eure Reverenz!«
    Die dicke Erzsebeth war mehrere Schritte zurückgewichen. Alle Hexen schauten zum Feuer, und sie schrien überrascht auf. Denn da stand eine hochgewachsene, schwarzhaarige Frau von beeindruckender Schönheit. Aber es war keine sanfte Schönheit, sie hatte etwas Grausames, Verdorbenes, Dämonisches.
    Dieser schöne Leib barg eine durch und durch schlechte Seele.
    Die hochgewachsene Frau trug ein schulterfreies rotes Samtkleid, das ihre Brüste halb freiließ. Ein böses Lächeln spielte um die vollen Lippen.
    Neben der Frau stand ein riesiger schwarzer Hund mit glühenden Augen. Schwefeldunst wehte aus seinem Rachen, die rote Zunge hing lang heraus. Das Untier war mindestens so groß wie ein ausgewachsener Löwe, es konnte einem Mann mit einem Biß den Kopf abreißen.
    Die rechte Hand der Frau ruhte auf seinem Nacken. Die Bestie grollte und knurrte.
    »Ruhig, Zsoltan«, gebot die Frau. Zu den Hexen von Czerkössy gewandt, sagte sie: »Was steht ihr da wie Salzsäulen? Ich bin es, meine Zeit in der Hölle ist um.«
    »Jadwiga Vaszary!« rief die dicke Erzsebeth und warf sich nieder. »Es ist die blutige Gräfin! Unsere Bitten sind erhört worden.«
    Alle Hexen in der Runde sanken zu Boden. Doch sie ließen keinen Blick von der blutigen Gräfin. Sie kannten sie alle von Gemälden und Bildern, diese dämonische Frau, die im 16. und 17.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher