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Lucy im Himmel (German Edition)

Lucy im Himmel (German Edition)

Titel: Lucy im Himmel (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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erhobener Stimme, die sie hören musste, auch wenn sie schwerhörig war. Wieder keine Reaktion. Endlich beugte ich mich vor, hielt ihr meine Hand vors Gesicht und machte eine winkende Bewegung. Sie reagierte noch immer nicht.
         »Hm, du hast wohl doch recht«, murmelte ich verschämt ins Telefon. »Das war offenbar falscher Alarm.«
         »Kein Problem, Lucy. Dafür bin ich ja da. Wenn wieder etwas ist, ruf mich einfach an. Aber vielleicht könntest du dir damit eine halbe Stunde Zeit lassen, wir haben gerade ein Konsolidierungsgespräch.«
         Ich schluckte. »Dann ... Entschuldigung wegen der Störung.«
         »Ist schon in Ordnung, Lucy. Bis zum nächsten Anruf.« Damit legte Gabriel auf.
     
    Na, das hatte ich ja klasse hinbekommen. Sicher hatte ich jetzt im Himmel meinen Ruf weg. Ich seufzte und machte mich auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle der Linie 6. Zwar achtete ich noch immer verstohlen darauf, wie die Menschen auf mich reagierten, da aber niemand Anstalten machte, mich anzusprechen, ging ich schon bald hocherhobenen Hauptes durch die Straßen.
         Erst, als ich in die Tram einstieg und mir schlagartig bewusst wurde, dass ich nun als Schwarzfahrerin unterwegs war, begann ich, die Leute wieder ganz genau zu mustern. Denn das wurde mir in dem Augenblick zum ersten Mal bewusst: Ich besaß weder einen Ausweis, noch Geld. Das Einzige, was ich bei mir hatte, war ein Handy, mit dem man im Himmel anrufen konnte.
         Herzlichen Glückwunsch demjenigen, der diese Geschichte einem Fahrkartenkontrolleur oder einer hinzugerufenen Streifenwagenbesatzung erzählen wollte.
     
    Meinen Befürchtungen zum Trotz kam ich nach zweimaligem Umsteigen unbehelligt bei unserem Haus in der Lerchenstraße an. Ich blieb einen Augenblick an der Gartenpforte stehen, bevor ich mich verstohlen umsah, mein Kleid zusammenraffte und umständlich über das Türchen kletterte. Schade, dass die Tür zur Gruft eine Ausnahme gewesen war und es mir als Nicht-Engel unmöglich war, einfach so durch Wände zu gehen.
         Im Garten lief ich über die frisch gemähte Wiese zu unserem kleinen Geräteschuppen, in dem ich vor Jahren in einer alten Lebkuchendose hinter dem Rasendünger einen Ersatzschlüssel versteckt hatte. Hoffentlich hatte Gregor ihn zwischenzeitlich nicht weggenommen. Er war immer dagegen gewesen, es Einbrechern leichter zu machen als unbedingt nötig. Aber ich hatte Glück: Dose und Schlüssel waren noch dort.
         Erneut blickte ich mich prüfend um, bevor ich die Haustür aufschloss. Es war ein eigenartiges Gefühl, nach einem Jahr so unerwartet das traute Heim wieder zu betreten. Einen Augenblick überkamen mich Zweifel, ob ich wirklich sehen mochte, was sich alles verändert hatte, seit ich ... gestorben war. Aber jetzt war es zu spät. Ich wollte Gregor helfen, da konnte ich nicht vor der Tür stehen bleiben.
         Gleich als Erstes ging ich auf direktem Weg ins Dachgeschoss, um einen Blick in mein ehemaliges Zimmer zu werfen. Als mein Mann und ich das Haus gekauft hatten, war für uns bereits klar gewesen, dass wir keine Kinder wollten. Also hatte sich jeder von uns ein eigenes Zimmer in der Mansarde eingerichtet. Gregor hatte seine Modelleisenbahn aufgebaut – ich hatte meines mit Bücherregalen vollgestopft. Und mit einem bequemen Sessel, einer Leselampe und den Stofftieren aus meiner Kindheit. Mir zitterten die Finger, als ich die Hand nach der Klinke ausstreckte.
         Ich hätte mir aber keine Sorgen machen müssen: Nichts hatte sich verändert. Gar nichts. Weder hier noch in den anderen Räumen. Meine Betthälfte im Schlafzimmer war nach wie vor bezogen, meine Kleider hingen alle wie früher neben denen von Gregor im Schrank, und auch meine Blumen im Wohnzimmer waren gegossen. Alles sah so aus, als sei ich bloß in die Arbeit gegangen und würde am Abend zurückkommen. Nur in der Küche war nirgendwo etwas Essbares zu finden.
         Ich lief zurück hinauf ins Schlafzimmer, um mir eine Jeans und ein T-Shirt herauszusuchen, entschied mich dann im letzten Moment aber für eins meiner Kostüme. Cremefarbene Bluse, enger roter Rock bis knapp übers Knie, rotes Sakko. In Rock und Bluse sah ich nicht nur schicker aus, ich fühlte mich darin auch anders. Agentin Null Null Engel Lucy. Ich musste grinsen. Meine Engelskleidung versteckte ich vorsichtshalber hinter ein paar Stofftieren in meinem alten Zimmer. Sicher ist schließlich sicher. Danach schlüpfte ich schnell
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