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Lucy im Himmel (German Edition)

Lucy im Himmel (German Edition)

Titel: Lucy im Himmel (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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Erstes Kapitel
    In dem Lucy Erzengel Gabriel kennenlernt
     
    Über zwölf Monate später.
     
    »Lucy, kommst du bitte mal?«, riss mich Engel Helene aus meinen Gedanken. »Gabriel möchte dich sprechen.«
         »Erzengel Gabriel?«
         Sie nickte.
         Rasch stand ich auf und folgte ihr. Vom Erzengel hatte ich bislang nur gerüchteweise gehört – obwohl ich nun bereits seit einem Jahr im Himmel wohnte. Immerhin hatte es sich bis zu mir herumgesprochen, dass die Engel hierarchisch gegliedert waren – und Gabriel der Ober-Boss war.
         Helene führte mich zu einer altmodischen Gittertür. In dem Augenblick, in dem sie sie mit den Fingerspitzen berührte, schwang das Tor zur Seite, und Helene bedeutete mir hineinzugehen. Ich betrat einen lichtdurchfluteten warmen Raum. Unter mir ein Teppich aus weichen Wolken, über mir blauer Himmel und eine strahlende Sonne. Wände schienen nicht zu existieren, denn sobald ich durch die Tür getreten war, umgab mich Weitläufigkeit bis zum Horizont. Inmitten dieser fluffigen Landschaft stand ein einsamer Schreibtisch, an dem ein Mann saß.
         Im Gegensatz zu allen anderen Personen, die mir hier oben bislang begegnet waren, steckte er nicht etwa in einem weißen, nachthemdähnlichen Kleidchen. Vielmehr trug er einen maßgeschneiderten Anzug derselben Farbe, der ihn schon allein optisch zum Himmelsmanager erhob. Sein schlohweißer Vollbart war ordentlich getrimmt und lenkte von der Tatsache ab, dass sein Schädel annähernd kahl war. Als er mich erblickte, stand er auf und kam mit ausgestreckter Hand auf mich zu.
         »Guten Tag, Herr Erzengel«, murmelte ich unsicher.
         »Hallo, Lucy.« Er hatte eine angenehme, tiefe Stimme, die ihn väterlich wirken ließ. »Wie du weißt, gibt es bei uns keine Förmlichkeiten. Nenn mich einfach Gabriel.« Er bot mir einen sehr bequem aussehenden Sessel vor seinem Schreibtisch an. »Was möchtest du trinken? Einen Latte Macchiato?«
         Ich schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«
         »Du musst nicht schüchtern sein, Lucy.« Er sah mich freundlich an.
         »Überredet, dann nehme ich einen.« Schließlich war man auch im Himmel den irdischen Genüssen nicht abgeneigt.
         »Es ist schön, dass du Zeit für mich hast. Ich freue mich, dich endlich persönlich kennenzulernen. Wie geht es dir?«
         »Danke, prima.«
         »Hast du dich gut eingelebt?«
         Ich legte den Kopf schief und musterte seine große, schlanke Gestalt mit den filigranen Gliedmaßen und den manikürten Fingern, während er mir das Kaffeeglas reichte. Konnte ein Chef-Engel allen Ernstes so viel Zeit haben, um Smalltalk mit mir zu halten? Und wenn ja, warum hatte er es dann nicht schon viel früher getan? Nun ja, wenn ihm danach war: An mir sollte es nicht scheitern. Langsam lehnte ich mich im Sessel zurück und schlug die Beine übereinander.
         »Langweilig ist es mir bisher noch nicht geworden. Ich entdecke nach wie vor jeden Tag etwas Neues. Gestern zum Beispiel war ich in den Glashäusern und habe die Orchideen bestaunt, und am Tag vorher ...« Ich plapperte und plapperte.
     
    »Wir haben ein Problem, bei dem wir deine Hilfe brauchen«, meinte Gabriel schließlich zögerlich.
         »Natürlich, gerne.« Ich setzte mich sofort ein klein wenig aufrechter hin, um meine Einsatzbereitschaft zu signalisieren. Vielleicht war jemand in der Gärtnerei ausgefallen, oder sie kamen mit der Bügelwäsche nicht hinterher.
         »Vermisst du irgendetwas aus deinem früheren Leben?«
         »Nein. Mir geht es rundum gut«, antwortete ich erstaunt. Was hatte denn mein Befinden mit seinem Problem zu tun?
         »Kannst du dich noch an das erinnern, was war, bevor du zu uns gekommen bist?«
         Einen Moment lang grübelte ich, dann schüttelte ich verwirrt den Kopf.
         »Du warst eine attraktive Frau Ende dreißig, der ihre Arbeit viel Freude bereitet hat.« Gabriel sah mich aufmerksam an. »Außerdem warst du mit einem sehr netten und fürsorglichen Mann verheiratet. Du hast ihn sehr geliebt.«
         Ich wurde feuerrot. Wie hatte ich das nur vergessen können? Mit aller Macht versuchte ich mich an meinen Mann zu erinnern, aber da war nichts. Mir fiel nicht einmal sein Name ein. Und so sehr ich auch in mich hineinhorchte, ich hatte nicht das Gefühl, dass ich ihn vermisste. Plötzlich durchzuckte mich ein Gedanke: War ich am Ende vielleicht sogar Mutter
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