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Lucy im Himmel (German Edition)

Lucy im Himmel (German Edition)

Titel: Lucy im Himmel (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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in meine roten Pumps, die Gregor anlassbezogen so sehr mochte und machte mich auf den Weg zu seiner Dienststelle.

Viertes Kapitel
    In dem Lucy ihren Mann wiedersieht
     
    Eine halbe Stunde später hatte ich mich unbemerkt durch die Sicherheitsschleusen in das Gebäude gemogelt. Mit klopfendem Herzen ging ich den breiten Flur entlang. Das vorletzte Büro rechts gehörte Gregor. Die Tür stand offen. Ich blieb auf der Schwelle stehen und schaute hinein.
         Er saß an seinem Schreibtisch und telefonierte. Seine müden Augen waren blutunterlaufen. Er war unrasiert, trug ein schwarzes, kurzärmeliges Hemd. Seine schmalen langen Finger spielten ununterbrochen mit einem Füller. Und seine Stimme klang zwar so ruhig wie immer, aber für mein langjährig geschultes Ohr hatte sich auch da eine Nuance der Trostlosigkeit eingeschlichen. Plötzlich beugte er sich vor, nahm mit einer Hand seine Brille aus dem Etui, setzte sie auf und las etwas von seinem Bildschirm ab.
         Ich hatte es immer besonders gemocht, wenn er sie trug, weil sie ihm so gut stand und seinem hageren Gesicht ein wenig mehr Breite verlieh. Vor allem aber gefiel mir der Anblick, weil sie seine walnussbraunen Augen betonte und ihn irgendwie reifer wirken ließ. Denn trotz seines Alters und seiner Führungsposition konnte mein Mann hochgradig infantil herumalbern, wenn er mit mir allein war.
         Nachdem er das Gespräch beendet hatte, ging ich ins Zimmer und sprach ihn behutsam an. Zwar hatte ich inzwischen verinnerlicht, dass die Menschen mich nicht sehen und hören konnten, aber ich war mir sicher, dass es bei ihm anders war. Wir waren über fünfzehn Jahre lang verheiratet gewesen, hatten gewusst, was der andere dachte, ohne dass er es aussprechen musste, hatten die Stimmungen des anderen erkannt, sobald wir uns sahen – und wir hatten gefühlt, wenn der andere den Raum betrat.
         Doch mein Mann sah weder auf, noch ließ er auf sonstige Art erkennen, dass er meine Anwesenheit bemerkt hatte. Um genau zu sein, tat er sogar das Gegenteil: Er rollte in seinem Bürostuhl ein Stück vom Schreibtisch zurück, nahm die Brille ab und warf sie achtlos neben den Bildschirm. Dann drehte sich von mir weg, um aus dem Fenster zu starren.
         Ich lief um seinen Schreibtisch herum, beugte mich vor, gab ihm einen Kuss. Nichts geschah. Behutsam setzte ich mich auf seine Knie und streichelte über seine eingefallenen Wangen, während ich ihm unsere alten Koseworte zuflüsterte. Und Beteuerungen, dass jetzt alles wieder gut werden würde.
         Das wurde es aber nicht. Zumindest nicht in dem Moment, denn Gregor stand unvermittelt auf, sodass ich von seinem Schoß katapultiert wurde. Ich landete nur deswegen nicht auf dem Boden, weil ich mich gerade noch an der Schreibtischkante abfangen konnte. Er ging unterdessen in aller Seelenruhe aus dem Zimmer. Weder hatte er mich wahrgenommen, noch positive Gefühle bei meinen Berührungen empfunden. Ich konnte nicht anders, ich begann zu heulen. Wie sollte ich denn meine Mission erfüllen, wenn er nicht realisierte, dass ich in seiner Nähe war?!
     
    Plötzlich ertönte ein schrilles Klingeln. Ich reagierte nicht, schließlich konnte ich nicht für meinen Mann ans Telefon gehen. Nach dem zehnten Läuten wunderte ich mich, weil keine Rufweiterleitung ansprang oder jemand in den Raum stürzte, um endlich das Gespräch entgegenzunehmen. Nach dem zwanzigsten Klingeln begriff ich, dass etwas nicht stimmte, und nach dem dreißigsten hatte ich mein Handy herausgekramt und meldete mich.
         »Na, Lucy? Hattest du das Telefon verlegt?«, fragte mich Gabriel mit einem Lächeln in der Stimme.
         Ich unterdrückte ein Schniefen und murmelte etwas von wegen zu leise eingestelltem Klingelton.
         »Lucy, ich wollte nur hören, wie es dir bei deiner Mission ergeht. Du hast jetzt schon zwei Stunden lang nicht mehr angerufen.«
         Sollte das ein Witz sein? Mir war gerade nicht nach Lachen zumute.
         »Was ist los?« Mein Schweigen rief Gabriel sofort auf den Plan. »Gibt es ein Problem?«
         Ein wenig zierte ich mich, aber schließlich schluchzte ich doch ins Telefon, was gerade im Büro passiert war.
         »Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass das nicht gut gehen kann«, schimpfte Gabriel ungehalten. »Wir müssen wirklich froh sein, dass du in dem Moment nicht an das gedacht hast, was ich dir beigebracht habe. Stell dir vor, was passiert wäre, wenn dein Mann
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