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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus
Autoren: Simon Toyne
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K APITEL 1
    Als er auf dem Boden aufschlug, zündete ein Lichtblitz in seinem Schädel.
    Dann Dunkelheit.
    Schwach war er sich bewusst, dass die schwere Eichentür hinter ihm geschlossen und ein dicker Riegel vorgeschoben wurde.
    Eine Zeit lang lag er einfach nur da und lauschte dem Hämmern seines Pulses und dem traurigen Rauschen des Windes draußen.
    Nach dem Schlag auf den Kopf fühlte er sich benommen, und ihm war schlecht, aber es bestand nicht die Gefahr, dass er das Bewusstsein verlor; dafür würde die quälende Kälte sorgen. Es war eine stille, alte Kälte, so unveränderlich und gnadenlos wie der Stein, aus dem die Zelle gehauen war. Sie drückte ihn nieder und legte sich wie ein Schleier um ihn; sie ließ die Tränen auf seinen Wangen gefrieren und das Blut zu Eis gerinnen, das aus den frischen Schnitten sickerte, die er sich selbst während der Zeremonie zugefügt hatte. Bilder tanzten durch seinen Geist – Bilder der schrecklichen Szenen, deren Zeuge er gerade geworden war, und des furchtbaren Geheimnisses, das er erfahren hatte.
    Es war die Erfüllung einer lebenslangen Suche, das Ende einer Reise, von der er gehofft hatte, dass sie zu heiligem, alten Wissen führen würde, das ihn Gott näherbringen konnte. Nun hatte er endlich einen Blick auf dieses Wissen werfen können, doch was er gefunden hatte, war keine Göttlichkeit, sondern unvorstellbares Leid.
    Wo war da Gott?
    Frische Tränen brannten auf seinen Wangen, und die Kälte drang immer tiefer in seinen Leib und verstärkte den Griff um seine Knochen. Er hörte etwas auf der anderen Seite der Tür. Ein fernes Geräusch. Ein Geräusch, dem es irgendwie gelungen war, in den Bienenstock aus von Hand gegrabenen Tunneln vorzudringen, die den heiligen Berg durchzogen.
    Sie werden mich bald holen kommen.
    Die Zeremonie wird enden, und dann werden sie sich um mich kümmern ...
    Er kannte die Geschichte des Ordens, dem er gerade beigetreten war. Er kannte seine brutalen Regeln und nun auch sein Geheimnis. Sie würden ihn mit Sicherheit töten. Vermutlich langsam, vor den Augen seiner ehemaligen Brüder, ein Mahnmal für das, was geschah, wenn man die gnadenlosen Eide brach, die sie schwören mussten.
    Nein!
    Nicht hier. Nicht so.
    Er drückte den Kopf auf den kalten Steinboden und richtete sich auf alle viere auf. Langsam und unter Schmerzen zog er den rauen grünen Stoff seiner Soutane über die Schultern. Die grobe Wolle scheuerte über die Wunden auf seinen Armen und seiner Brust. Er zog sich die Kapuze über den Kopf und brach wieder zusammen. Dann spürte er seinen eigenen, warmen Atem im Bart, und er zog die Knie unters Kinn. So blieb er liegen, bis die Wärme langsam wieder in den Rest seines Körpers zurückkehrte.
    Weitere Geräusche hallten von irgendwo weit entfernt im Berg zu ihm herüber.
    Er öffnete die Augen wieder. Ein schwacher Lichtschimmer fiel durch das schmale Fenster. Das Licht war gerade stark genug, um die Hauptmerkmale seiner Zelle erkennen zu können. Sie war vollkommen schmucklos, rein funktional. In einer Ecke lag ein Haufen Schutt – ein eindeutiges Zeichen dafür, dass dies einer von Hunderten von Räumen in der Zitadelle war, die nicht länger verwendet wurden.
    Er schaute zum Fenster. Es war kaum mehr als ein Schlitz im Fels, ein vor Jahrhunderten in die Wand gehauenes Guckloch, das Bogenschützen freie Sicht auf anrückende Heere hatte geben sollen. Steif rappelte er sich auf und wankte auf die Schießscharte zu.
    Der Sonnenaufgang lag noch in weiter Ferne. Kein Mond schien am Firmament, nur ein paar Sterne. Trotzdem kniff er unwillkürlich die Augen zusammen, als ein Licht ihn durch das Fenster blendete. Es stammte von Zehntausenden von Straßenlaternen und Reklametafeln, die sich unter ihm bis zu den fernen Bergen erstreckten. Es war das harte, stete Glühen der modernen Stadt Trahpah.
    Er schaute auf die Metropole hinunter, auf die Welt, der er auf seiner Suche nach Wahrheit vor acht Jahren den Rücken zugekehrt hatte – einer Suche, die ihn schlussendlich in diesen uralten Kerker und zu einer Entdeckung geführt hatte, an der seine Seele zerbrochen war.
    Wieder ein gedämpftes Geräusch. Diesmal näher.
    Er musste schnell sein.
    Er zog sich den Strick aus, der ihm als Gürtel diente. Mit geübtem Geschick knüpfte er das eine Ende zu einer Schlinge, trat dann ans Fenster, beugte sich hinaus und tastete auf dem eisigen Fels nach etwas, das ihm als Haken dienen konnte. Schließlich fand er ein vorspringendes Stück
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