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Lucy im Himmel (German Edition)

Lucy im Himmel (German Edition)

Titel: Lucy im Himmel (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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aus seiner Jackettasche und drückte es mir in die Hand. Jetzt erst fühlte ich, dass auch mir Tränen über die Wangen liefen.
         »Dein Mann leidet Höllenqualen, weil er deinen Tod nicht verwinden kann. Noch immer besucht er mindestens einmal pro Woche dein Grab. Er arbeitet fast rund um die Uhr, vergisst oft zu essen, geht seinen Hobbys nicht mehr nach, trifft sich kaum noch mit Freunden und trägt nach wie vor ausschließlich schwarze Kleidung.«
         Mich packte das schlechte Gewissen. Gregor trauerte seit einem Jahr ununterbrochen um mich. Und ich? Ich hatte die ganze Zeit über kein einziges Mal an ihn gedacht. Schlagartig sah ich all die Schlüsselsituationen vor meinem inneren Auge: Wie wir uns kennengelernt hatten, seine erste Essenseinladung, unser erster Kuss, sein Heiratsantrag. Ich hörte sein leises Lachen und fühlte seine Hände, die mich nachts im Bett so zärtlich gestreichelt hatten, seinen Körper, mit dem er mich so leidenschaftlich geliebt hatte.
         »Er ... er darf nicht so leiden«, sagte ich mit bebender Stimme. »Bitte! Das hat er nicht verdient. Kann man ihn nicht zu mir–«, ich hielt inne, biss mir auf die Unterlippe.
         Gabriel schüttelte sanft den Kopf. »Man darf nicht einfach jemanden in den Himmel holen, dessen Zeit auf Erden noch nicht abgelaufen ist. Das wäre nicht nur gegen das Gesetz. Wir Engel haben ganz einfach nicht die Macht, uns gegen das Orakel zu stellen. Nicht einmal ich.«
         »Was für ein Orakel denn?«, schniefte ich in mein Taschentuch.
         Gabriel seufzte. »Vor der Geburt eines jeden Menschen legt das Orakel fest, wie das Leben der Person verlaufen wird. Die Orakelschreiber notieren das im ›Buch des Lebens‹. Und die Aufgabe von uns Engeln ist es, dafür Sorge zu tragen, dass das dann auch so passiert. Jeder Mensch kann zwar sein eigenes Leben beeinflussen, aber nur bis zu einem gewissen Maß. Die Eckpfeiler sind vorgegeben.« Gabriel machte eine Pause, bevor er fortfuhr: »Wenn ein Mensch in den Himmel geholt wird, dann gibt es immer Engel, die sich um die Hinterbliebenen kümmern. Jeder Einsatz verläuft anders. Meistens weilen meine Kollegen nur als stille Beobachter an der Seite derjenigen, die einen Freund oder ein Familienmitglied verloren haben. Manchmal müssen sie aber auch eingreifen, wenn sie sehen, dass jemand zu sehr leidet. Aber bei deinem Mann hat nichts geholfen. Er kann einfach nicht loslassen. Deshalb haben wir in seinem ›Buch des Lebens‹ nachgeschaut: Zu unserer großen Überraschung hat das Orakel für deinen Mann bestimmt, dass er noch sehr, sehr lange leben wird – und zwar glücklich im Kreis seiner neuen Familie. Er soll sich nicht nur wieder verlieben und noch einmal heiraten, sondern sogar Kinder haben.«
         Mir klappte der Mund auf – gleichzeitig fühlte ich ein Ziehen in der Herzgegend, das sich ganz und gar nicht gut anfühlte. Eifersucht. Ich dachte unwillkürlich an den fantastischen Sex, den wir gehabt hatten und war mir definitiv nicht sicher, ob ich wirklich wollte, dass eine andere zur Empfängerin von Gregors Zärtlichkeiten und Liebesbeweisen wurde. Und dann auch noch Kinder! Das war doch gar nichts für ihn. Wir hatten uns ganz bewusst dagegen entschieden.
         »Lucy«, mahnte Gabriel sanft, »du musst großherzig sein. Gönn deinem Mann das Glück, das ihm zusteht, solange er auf Erden sein muss.«
         »Warum bringst du dann nicht einfach diese Frau zu ihm, machst ein bisschen himmlischen Hokuspokus, damit er sich in sie verliebt und gut ist's? Ich meine, wer den gesamten Himmel organisieren kann, der wird es doch wohl hinbekommen, dass sich auf der Welt zwei Normalsterbliche ineinander verlieben, oder?«, fuhr ich ihn an, bevor ich mich abwandte. Mir wäre es definitiv lieber gewesen, wenn ich von alledem nichts erfahren hätte.
         »Wir können sie nicht finden«, murmelte Gabriel hinter meinem Rücken.
         Ich fuhr herum. »Was? Das kann ja wohl nicht so schwer sein. Ihr seid schließlich Engel!«
         »Bei sieben Milliarden Menschen soll es nicht so schwer sein , die Richtige zu finden?«
         Ich schluckte. »Ja, hat denn dieses Orakel keinen Namen genannt?«
         Gabriels Blick sprach Bände.
         »Und ihr wisst auch nicht, wann und wo Gregor sich wieder verlieben soll?«, fragte ich zögerlich. Mit einem Mal war meine Wut verpufft.
         Der Erzengel schüttelte den Kopf. »Es gibt weder Name noch Datum, denn
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