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Lucy im Himmel (German Edition)

Lucy im Himmel (German Edition)

Titel: Lucy im Himmel (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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das Orakel bleibt oftmals sehr vage in seinen Vorhersagen. Wir tappen völlig im Dunkeln.«
         »Aber wie soll denn ausgerechnet ich Gregor helfen, wenn ihr himmlischen Wesen es schon nicht schafft?«
     
    Der Chef-Engel klang angespannt, als er mir seine Theorie erklärte: Die Erfahrung habe gezeigt, dass sich der neue Partner in den allermeisten Fällen schon im unmittelbaren Umfeld des Trauernden aufhielt. Bei meinem Mann bestehe aber eine Wahrnehmungsblockade. Wenn Gregor nun wüsste, dass er nicht mehr trauern müsste, dass es mir gut ginge, dass ich mit einer neuen Partnerschaft einverstanden wäre, mir diese sogar für ihn wünschte, dann würde er vielleicht die Frau in seiner Umgebung erkennen und alles könnte endlich nach den Vorgaben des Orakels laufen.
         »Okay. Und was soll ich konkret machen? Ihm einen Brief schreiben, dass er sich keine Sorgen um mich machen, sondern sein Leben genießen und nach vorne schauen soll?«
         »So einfach geht es nicht. Wenn dein Mann aus heiterem Himmel einen Brief von dir bekäme, würde er glauben, dass ihn jemand auf den Arm nehmen will. Genauso wenig können wir einen Abschiedsbrief auftauchen lassen, denn das würde nicht zu der Art passen, wie du gestorben bist.«
         »Ja, und wie machen wir es dann?«
         »Du müsstest zurück auf die Erde, Lucy.«
         Ich dachte einen Augenblick nach, dann sagte ich »Einverstanden« und nickte nachdrücklich. Wenn es Gregor half, würde ich eben noch mal für eine Stunde hinuntergehen und mit ihm reden. Für ihn wollte ich das gerne tun.
         Gabriel lächelte mich milde an.
         »Was? Was habe ich denn jetzt schon wieder Falsches gesagt?«, fuhr ich ihn sofort wieder unbeherrscht an.
         »Nicht gesagt, sondern gedacht, Lucy. So einfach ist die Sache nämlich leider nicht. Du kannst nicht eine Stunde zurück auf die Erde gehen, mal schnell deinen Mann treffen, ihm berichten, wie gut es dir hier geht, und dich dann für immer von ihm verabschieden. Stell dir vor, was er denken würde, wenn er plötzlich seiner toten Frau gegenüberstünde?!«
         Ich nagte an meiner Unterlippe.
         »Genau! Er würde sich fragen, ob er nun endgültig den Verstand verloren hat.« Gabriel schüttelte den Kopf. »Mit Stimmen verhält es sich übrigens genauso: Würde ein Angehöriger plötzlich die Stimme eines Verstorbenen hören, würde er ebenfalls sofort denken, er sei ein Fall für die Psychiatrie.«
         »Ähm ... und wie soll ich dann mit Gregor reden?«
         »Gar nicht. Zurück auf der Erde, können dich die Menschen nicht sehen und auch nicht hören. Man kann dich weder anfassen, noch merkt man es, wenn du jemanden berührst. Aber du hast die Fähigkeit, in anderen Menschen Gefühle hervorzurufen.«
         »Und wie mache ich das?«
         »Indem du die betreffende Person fest ansiehst und dich völlig auf den Gedanken beziehungsweise das Gefühl konzentrierst, das du ihr vermitteln willst. Bei deinem Mann geht es darum, dass er loslassen soll. Das klappt nicht über Nacht. Deswegen müsstest du für zwei Tage und ebenso viele Nächte auf die Erde zurück. Achtundvierzig Stunden.« Gabriel machte eine Pause. »Du müsstest die ganze Zeit in seiner Nähe verbringen. Tagsüber mit ihm ins Büro gehen und nachts im Bett bei ihm bleiben. Während des Schlafes ist das menschliche Unterbewusstsein nämlich besonders empfänglich.« Er hielt noch einmal inne, bevor er fortfuhr. »Deine Sachen, also die Kleidung, die du am Körper trägst und die Handtasche, die wir dir mitgeben werden, sind übrigens ebenfalls unsichtbar. Wenn du auf der Erde aber etwas berührst, es in die Hand nimmst oder dich darauf setzt, bleibt es natürlich sichtbar. Darauf musst du genau achten.«
         Ich schaute noch ein letztes Mal aus dem Fenster, hinunter auf die Erde. Dort war es mittlerweile Abend geworden. Gregor war daheim in unserem Haus. Ich beobachtete ihn, wie er sich im Schlafzimmer auszog. Anschließend ging er ins Badezimmer und stellte sich unter die Dusche. Sofort fühlte ich ein Kribbeln in mir aufsteigen. Lust, seinen Körper zu streicheln und von ihm berührt zu werden.
         Wer weiß, vielleicht bot sich ja eine Gelegenheit, ein paar zärtliche Stunden mit ihm zu erleben. Er war ein fantastischer Liebhaber gewesen. Und vielleicht täuschte sich Gabriel und mein Mann konnte meine Berührungen auf seiner nackten Haut sehr wohl fühlen – und ich seine?
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