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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee
Autoren: Katrin Rohde
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ihrer Schritte aneinander. Die Geräusche schreckten kein einziges Tier auf. Die Tierwelt schien verschwunden zu sein, vielleicht betrachteten sie das Geschehen neugierig aus einem Versteck.
    Sie erreichten den Baum mit dem eingeritzten Herzen und Paula stellte die schwere Tasche auf den Boden. Steffen sah ihr dabei zu, wie sie die dunklen Urnen aus der Tasche nahm. Die Sonne fiel auf die beiden Gefäße und es schien, als ob das Sonnenlicht von ihnen aufgesaugt und verschluckt wurde. Steffen bekam eine Gänsehaut, als er meinte zu spüren, wie die Sonnenstrahlen das dicke Material durchdrangen und auf die sterblichen Überreste trafen. Er hatte das Bild vor Augen, wie die Asche durch die Sonnenstrahlen angeregt in der Urne zu schweben begannen. Abwehrend schüttelte er den Kopf.
    Paula schien seine Gedanken zu erraten. „Du spürst es auch, nicht wahr?“ Erwartungsvoll sah sie ihn an.
    „Ja. Da ist was. Mir tanzen ganz verrückte Gedanken durch den Kopf. Rational völliger Blödsinn.“
    Paula ließ sich ins Gras sinken und zog Steffen mit hinab. Sie lehnten sich an den dicken Baumstamm und Paula ließ die Augen in die Höhe wandern: Das grüne Dach des Baumes hielt eine beschützende Hand über sie. Sie fühlte, dass es richtig war, was sie tat. Aber bevor es soweit war, wollte sie Steffen den Abschiedsbrief von Magarete zeigen.
    Aus ihrer Handtasche zog sie den Umschlag hervor. Er zeigte Spuren häufiger Benutzung, war in der Mitte gefaltet und das Papier nicht mehr blütenweiß, wie einst. Nun hielt sie den Brief Steffen entgegen. „Bitte, lies ihn.“
    Er nahm das Blatt heraus, seine Augen überflogen die ersten Zeilen, ehe er sich entschied, ihn laut zu lesen.
     
    Meine liebe Paula,
     
    wenn Du diese Zeilen liest, werde ich nicht mehr bei Dir sein. Sei nicht traurig, es war mein Wunsch zu gehen. Ich bin meinem geliebten Friedrich gefolgt.
    Eine Welt ohne ihn konnte ich mir nicht mehr vorstellen! Ihn ein zweites Mal zu verlieren, hat mir jeglichen Willen zum Weiterleben genommen. Ich habe mir jeden Tag sehnlichst gewünscht, ihm zu folgen, auch wenn mir schmerzlich bewusst war, dass Du, wenn Du es gewusst hättest, nicht damit einverstanden gewesen wärst.
    Ich hoffe, Du kannst mir verzeihen und erkennen, warum ich diesen Weg wählte. Ich bin meinen Gefühlen gefolgt. Meine Bestimmung war, mein Leben mit Friedrich zu teilen, jetzt werden wir es im Tod ewig teilen. Darüber bin ich sehr glücklich.
    Sei nicht traurig Paula. Es gibt mehr, als sich der Mensch vorstellen kann und ich bin mir sicher, wir werden uns wiedersehen.
     
    In Liebe,
    Deine Magarete
     
    P.S.: Wenn Günther an Deiner Tür klingelt, weißt Du, was zu tun sein wird.
    P.P.S: Steffen ist der Richtige für Dich.
     
    Steffen ließ den Brief sinken. „Steffen ist der Richtige für dich“, wiederholte er die Worte. „Siehst du das auch so?“ Sein fragender Blick ruhte auf ihrem Gesicht.
    Paula lächelte. „Ja. Steffen ist der Richtige für mich. Sie wusste es viel früher als ich.“
    „Alle wussten es früher. Du hast ganz schön lange gebraucht.“
    „Hmm, stimmt. Wenn du mich noch willst?“
    „So ein blöde Frage. Ich will nur dich. Niemand anderen, hörst du.“
    Er umarmte sie, presste ihren Körper an sich und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. Sie bekam kaum Luft und kämpfte sich aus seiner festen Umarmung frei. „Da bin ich echt erleichtert. Nachdem ich mich so unmöglich benommen habe, war ich mir nicht mehr sicher.“
    „Du hast dir wirklich viel Mühe gegeben mich loszuwerden, aber ich bin wie eine Klette.“ Er geriet ins Grübeln. „Was hat Magarete mit „Wenn Günther an der Tür klingelt, weißt du was zu tun ist“ gemeint?“
    „Ach, die Geschichte.“ Paula richtete sich auf, ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Günther stand tatsächlich vor meiner Tür. Er war ziemlich blass im Gesicht. Zunächst dachte ich, es sei wegen seiner Frau, da sie mich mit nach oben gebracht hatte, als ich Magarete fand. Das war es aber nicht, er wiegelte gleich die Fragen nach Berta ab. Er deutete mir, ihm in den Keller zu folgen, es gäbe dort unten etwas, was er unter keinen Umständen in der Wohnung aufbewahren könne.“
    „Die beiden Urnen?“, schlussfolgerte Steffen.
    „Richtig. Der Arme muss ziemlich geschockt gewesen sein, als er einen Brief von Magarete bekam, in dem sie ihn bat, die Urnen aufzubewahren, bis es an der Zeit war, sie mir zu geben.“
    „Schlaue Magarete.“ Beinahe gruselig beeindruckend, dachte
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