Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee
Autoren: Katrin Rohde
Vom Netzwerk:
zu wollen.
    „Hallo Steffen.“ Ihre Stimme war ein leises Wispern. Sie wirkte auf ihn mitgenommen, die Wangen leicht eingefallen, aber die Augen blickten aufmerksam und beobachtend.
    Er sank auf den nächst besten Stuhl und atmete tief ein und aus. „Das ist wirklich eine Überraschung. Als du sagtest, du würdest dich melden, hatte ich gedacht, du meintest das Telefon damit. Jetzt bin ich platt.“
    Schweigend beobachtete Paula ihn. Sie merkte, wie sehr sie ihn verletzt hatte. Er wirkte erschöpft und müde. Das schlechte Gewissen nagte an ihr, sie hatte so viel wieder gut zu machen.
    „Ich“, ihre Stimme klang brüchig. Nach einem Räuspern gelang es ihr mehr Kraft hineinzulegen. „Ich weiß, es ist ein Überfall, aber Erklärungen am Telefon wären mir schwer gefallen.“ Sie blickte in seine Augen, die sie unverwandt anstarrten. Aus seiner Mimik war nichts abzulesen, er lauerte in abwartender Haltung, wie ein Raubtier. Paula nahm es ihm nicht übel, bei ihren Gefühlsausbrüchen der letzten Zeit. „Also ich weiß, dass ich mir das vermutlich nicht erlauben kann, aber ich komme zu dir mit einer großen Bitte. Ich muss etwas Tun und ich möchte dich als Begleitung dabei haben. Das ist mir wichtig, dich dabei zu haben.“
    Überrumpelt schnappte er nach Luft. „Worum geht es?“
    Paula stellte erleichtert fest, dass in seiner Stimme kein Groll oder eine grundsätzliche Ablehnung mitschwang. „Wenn ich dir jetzt erkläre worum es geht, hältst du mich für verrückt und versuchst es mir vielleicht auszureden. Wenn wir unterwegs sind, erkläre ich dir alles ja?“
    Steffen war sich unsicher, was er davon halten sollte. Was hatte Paula vor und warum musste er dabei sein? „Wo soll es hingehen? Erfahre ich das vielleicht schon?“
    „Nach Lucklum.“
     
    Sie schwiegen während der Fahrt. Erst als sie die Hälfte der Strecke hinter sich hatten, bemerkte Steffen das permanent klirrende Geräusch aus Paulas großer Einkaufstasche. Er lehnte sich vom Fahrersitz zu ihr hinüber und schielte in die Tasche. Was er sah, verschlug ihm den Atem.
    „Du hast doch nicht etwa …?“
    „Doch, habe ich.“ Sie öffnete die Tasche, so dass er besser hineinsehen konnte. Zwei dunkle Urnen befanden sich darin. Sie klirrten sanft gegeneinander, wenn der Wagen über Unebenheiten der Straße fuhr.
    Steffen versuchte sich weiterhin auf das Autofahren zu konzentrieren. Es fiel ihm schwer. „Das gibt es doch nicht“, stammelte er.
    „Doch. Darin befinden sich die sterblichen Überreste von Friedrich und Magarete und wir fahren ein letztes Mal mit ihnen zusammen nach Lucklum.“ Paula streckte den Finger nach vorne, erhaschte einen Blick auf den Tacho und rief „Vorsicht, Blitzer!“
    „Funp“, hielt der graue Apparat die Szene fest.
    „Zu spät.“ Paula seufzte. „Ich hätte fahren sollen, den Standort des Blitzers kannte ich schon.“
    Steffen warf Paula einen verwunderten Blick zu. „Du bist gut. Zeigst mir die Urnen zu deinen Füßen und erwartest, dass ich mich an die Verkehrsvorschriften halte.“ Ein zaghaftes Lächeln umspielte seinen Mund. Paula fiel ein großer, schwerer Stein vom Herzen. Auf dem Weg zur Praxis hatte sie sich die schlimmsten Szenarien ausgemalt, wie dieser Ausflug mit dem brisanten Auftrag hätte enden können.
    „Steffen, kannst du bitte anhalten?“
    „Wir sind doch noch gar nicht da.“
    „Bitte.“
    Er fuhr an die Seite heran. Paula löste rasch ihren Gurt und rutschte zu ihm hinüber. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Sein Atem setzte aus, als er bemerkte, wie schmerzlich er ihre Nähe vermisst hatte. Ihre Hand suchte die seine und hielt sie fest. Sanft strich er ihr mit der freien Hand über das Haar, sog ihren Duft ein und vergaß den Kummer der letzten Tage. Wenn sie nur bei ihm war, ging es ihm gut. Er verzieh ihr schlagartig das Verhalten der letzten Tage und vergaß, wie er darunter gelitten hatte.
    „Tut mir schrecklich Leid, wie ich in letzter Zeit war. Ich kann es nicht beschreiben, ich stand kilometerweit neben mir. Ich musste viel Nachdenken.“
    Steffen versuchte sie zu unterbrechen. „Aber ich verstehe ….“
    „Nein, warte. Sag bitte nichts. Ich habe mir die Worte genau überlegt. Jetzt stelle ich fest, sie sind irgendwo tief in meinem Kopf verschwunden. Egal. Was ich dir sagen wollte, ist auf jeden Fall, dass ich mich ganz doll bei dir entschuldigen möchte. Ich habe mich wie ein Hornochse benommen. Einfach unmöglich.“ Paula lehnte sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher