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Grauen im Grand Hotel

Grauen im Grand Hotel

Titel: Grauen im Grand Hotel
Autoren: Jason Dark
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Der Himmel über den Südalpen schimmerte klar wie ein Tuch aus hellblauer Seide, in dem sich die Strahlen der wunderschönen Herbstsonne verfingen, als wollte sie ein goldenes Nest weben. Das Wetter kam den Menschen entgegen. Es machte sie fröhlich, es ließ ihre Urlaube noch schöner werden und sorgte für ein unvergeßliches Erlebnis.
    Nicht alle dachten so.
    Cornell Degen wartete auf den Tod!
    Er sehnte ihn herbei, er wollte sterben. Er hockte in seinem Zimmer auf dem Bett, den Rücken gegen die Wand gedrückt, den Blick auf das Fenster gerichtet, dessen Scheibe von den Vorhängen verdeckt wurden, weil Degen die Dunkelheit haben wollte.
    Er haßte die Sonne, er haßte das Licht, er haßte das Helle, er haßte alles, was damit zusammenhing.
    Nur die Dunkelheit war schön, sie war herrlich, so wunderbar, sie umschwemmte ihn, sie gab ihm Sicherheit, er ließ sich gern von ihr tragen und hatte dann das Gefühl, dem Tod ganz nahe zu sein. Ja, dem Tod…
    Immer wenn Degen daran dachte, glänzten seine Augen. Er mochte ihn, er sehnte sich nach ihm, und er wußte auch, daß er sich genau am richtigen Ort befand.
    Er würde sterben…
    Und hoffentlich in der nächsten Nacht, vielleicht sogar schon am Abend, sie hatten es ihm versprochen.
    Bereits seit mehr als einer Stunde hockte er auf dem Bett. Den Rücken gegen die Wand gedrückt, die Beine angezogen, die Hände um die Knie gelegt. Er atmete mit offenem Mund, der Schweiß rann über sein Gesicht und lief auch in die Augen.
    Cornell Degen trug ein dünnes T-Shirt und eine Röhrenhose aus verwaschenem Jeansstoff. Sein Haar war so kurz geschnitten, daß es wie ein dunkler Schatten auf seinem Kopf lag. Das Gesicht darunter wirkte wie gelber Teig, in den jemand Augen hineingepreßt hatte. Der Mund war ein Spalt, sehr breit und dünn.
    Dunkel, dachte Degen, es muß doch einfach dunkel werden. Ich will nicht mehr im Grau der Dämmerung hocken, ich will es nicht, verdammt, ich will es nicht!
    Aus seinen Gedanken hervor formten sich Worte, die er keuchend und stotternd in die Stille hineinstieß. Immer wieder leckte er über seine Lippen, als würde ihm der Schweiß besonders gut schmecken. Dann hörte er die Tritte.
    Sie klangen draußen im Flur auf. Die Person, die durch den Gang ging, bewegte sich neben dem roten Teppich, der den Flur wie ein breiter Blutstreifen zerteilte. War das da draußen schon der Bote, der ihm den Tod bringen würde?
    Cornell Degen hoffte es.
    Sein Blick bekam einen sehnsuchtsvollen Glanz, als er den Kopf drehte und auf die Tür schaute, vor der die Schritte verstummt waren. Er hatte abgeschlossen, aber das machte der anderen Person nichts aus. Sie besaß einen Generalschlüssel.
    Dann glitt die Tür nach innen. Sie war schwer, trotzdem bewegte sie sich lautlos.
    Degen wartete und lauerte.
    Er saß wie auf dem Sprung, seine Blicke starr gegen die Tür gerichtet. Aus dem Mund strömten hechelnde Laute, die Lippen zuckten zugleich, als würden sie sich nach einer Musik bewegen, die nur er hörte. Die Tür schwang weiter nach innen…
    Wie ein Schlund, dachte Degen. Wie ein Schlund, der sich öffnete um der Dunkelheit freie Bahn zu lassen, damit sie mich endlich verschlingen kann.
    Doch der Schlund entließ kein Ungeheuer, sondern eine Frau!
    Wie eine Gestalt angenommene Drohung stand sie auf der Schwelle und schaute in das Zimmer.
    Sie war schwarz angezogen. Das Kleid sah aus wie eine Kutte, war an der Taille umschnürt vom Band der Schürze, die in einem hellen Weiß strahlte und erst dicht über dem Saum des knöchellangen Kleides aufhörte. Eine sehr strenge Kleidung, zu der auch das Gesicht paßte, das asketisch wirkte, was an den zahlreichen Fältchen und Falten liegen konnte.
    Der Mund fiel in diesem Gesicht kaum auf, auch die Augen nicht. Ihre Pupillen hatten sich der grauen Haut im Laufe der Zeit angepaßt und waren kaum zu erkennen.
    Sie trug ein Tablett.
    Auf ihm stand eine weiße Schüssel mit einem dunklen Deckel, der nicht ganz paßte, denn beim Gehen schob er sich hin und her, wobei er kratzende Geräusche verursachte.
    »Deine Henkersmahlzeit, Degen!«
    Degen holte tief Luft. Es hörte sich an, als hätte ein Raubtier eingeatmet. Er hüpfte auf seinem Bett, anders konnte er seiner Freude keinen Ausdruck verleihen.
    Dann schaute er zu, wie die Frau mit sehr sicheren Schritten auf den Tisch zuging, der gerade ausreichte, um zwei Personen Platz zu bieten. Die Frau stellte das Tablett ab und drehte sich dem noch immer auf dem Bett hockenden
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