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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg
Autoren: Renate E. Daimler
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diesen Umstand genau mit diesem Typen zu ändern.
    Kristina legte manchmal die Hand auf Paolos Arm. Es war keine besitzergreifende Geste, und dennoch, wenn er ihre Berührung mit einem zärtlichen Blick beantwortete, war der Text klar: „ Wir sind das Paar.“
    Lilly war froh, dass dieser Sekretär endlich da war, aber je länger der Abend dauerte, desto weniger mochte sie ihn. Sie fand ihn aalglatt, und er war etwas zu oft der gleichen Meinung wie Paolo. „Ja, da haben Sie ganz recht, so sehe ich das auch“, war einer seiner Lieblingssätze.
    Sie stellte sich vor, wie er auf seiner inneren Rechenmaschine eine Kalkulation anstellte, ob sich dieser Abend für seine Kar­riere lohnen würde. Als der schwere Rotwein seine Zunge gelöst und sein Jasager endlich Pause hatte, kam ein aufrichtiger Macho zum Vorschein, der aus seiner Abneigung gegen emanzipierte Frauen kein Hehl machte. „Wer soll denn unsere Pensionen bezahlen, wenn die Weiber keine Kinder mehr bekommen wollen und stattdessen Karriere machen?“ Bevor Lilly ihrer Empörung Luft machen konnte, lächelte er sie charmant an und sagte: „Sorry, war nur ein Scherz. Natürlich ist die Frauenbewegung enorm wichtig für die Gesellschaft. Wir tun alles, damit sich noch mehr Frauen aktiv am Arbeitsmarkt engagieren.“
    Kristina überhörte seine Bemerkung und schien über den Dingen zu stehen. Sie verteilte ihr Wohlwollen und ihre Wärme gleichmäßig am ganzen Tisch, und Lilly fragte sich, ob das vielleicht eines der Geschenke des Älterwerdens war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie je bereit sein würde, einen Mann mit einer anderen Frau zu teilen, und schon gar nicht im Bett.
    Oder war diese Einladung dazu gedacht, Kristinas Alleinanspruch zurückzugewinnen?
    Lilly staunte über diesen Mann, mit dem sie in den letzten drei Monaten fast täglich geschlafen hatte. In immer wieder neuen Varianten. Michel hatte ihr, als sie achtzehn war, die wichtigsten Grundlagen beigebracht, Paolo, in seiner erotischen Rastlosigkeit, hatte sie fast ohne Worte von einem erotischen Leckerbissen zum nächsten, von einer Ekstase in die nächste getrieben. Und irgendwann, als Lilly alle Hemmungen abgelegt hatte, war sie in den Inszenierungen immer kühner, und von ihm ermutigt, meist federführend geworden.
    Für einen Augenblick lächelte sie, als sie an ihre einzige Inszenierung dachte, die Paolo aus der Fassung gebracht hatte. Sie war, als er sie anrief, um sich mit ihr am Nachmittag in seinem Liebesnest in der Praterstraße zu treffen, auf die Höhenstraße im Wienerwald gefahren. An einem der Aussichtspunkte mit Parkmöglichkeit hatte sie ihr Auto stehen gelassen und war durch die Wälder gestreift, bis sie eine Lichtung gefunden hatte, die ihr geeignet schien. Den Picknickkorb mit Leckerbissen und eine weiche Decke hatte sie gleich dort gelassen.
    Er wollte zuerst nicht. Doch diesmal war Lilly unerbittlich gewesen. Sie hatte ihm die Augen mit einem seiner Seidentücher verbunden und ihn zum Auto geführt. Auf seine Fragen hatte sie nicht geantwortet und war zügig zuerst durch die Stadt und dann die vielen Kurven bergauf gefahren. Wie einen Blinden hatte sie ihn durch den Wald geführt, seine Hände sinnlich Rinden, Blätter und Pilze berühren lassen und ihn dann zart an einen Baum gefesselt, nachdem sie ihm seine Hose ausgezogen hatte. Als sie zuerst mit den Fingern und dann mit ihren Lippen seinen Penis liebkost hatte, war sein Brüllen, als sein Orgasmus kam, wie das Brüllen der Hirsche im Bregenzerwald, wenn sie ihre Brunftzeit hatten.
    Jetzt saß Paolo da, ein gesetzter Patriarch am Familientisch, ruhig, gelassen, freundlich, gesprächig, kunst- und politikbeflissen, klug und beständig.
    Das Haus war still. Lilly lag in einem schmalen Bauernbett mit karierter Bettwäsche und dachte an die edlen, französischen Seidenarrangements in Paolos Bett in Wien. Zwei Welten, zwei Männer. Sie fühlte sich einsam und sehnte sich nach ihrem eigenen Bett und nach einem Absacker im Gläsernen Elefanten mit Ralf oder Sybille, ihrer besten Freundin in Wien.
    Das Geräusch war am Anfang so leise, dass sie es im Rauschen der Bäume, das durch ihr offenes Fenster klang, fast nicht wahrgenommen hatte. Dann hörte sie Paolos kehliges Stöhnen und Katharinas leises, lustvolles Seufzen, das nach einer Weile in unterdrücktes Schreien
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