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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes
Autoren: Cynthia Felice
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    Die Winter im Hochland waren schon von jeher die schlimmsten im ganzen Königreich; Stürme mit nadelscharfem, eisigem Regen, manchmal Schnee – an dessen Existenz die Flachländler nicht glauben wollen, bis sie einmal bei uns überwintern – und stets genügend Kälte in der Luft, um dicke Eisschollen auf den Pfaden von den Fischerhöhlen hinauf auf die Hochflächen entstehen zu lassen. Einige Fischer trotzten dem Aufruhr, in den die Göttin Ozeana die Wasser des Meeres versetzt hatte. Gesichert durch Halteleinen, fingen sie mit ihren Netzen frischen Kelp und reichlich Fische, an denen sie sich selbst gütlich taten, denn die steilen Klippen über ihnen waren mit Eis bedeckt und daher unüberwindlich.
    Ein ideenreicher und geschäftstüchtiger Kaufmann, Baltsar mit Namen und im Grunde seines Herzens auch ein Abenteurer, hatte eine Vorrichtung geschaffen, mit der man Körbe voller Fische und Kelp von den Fischerhöhlen über die vereiste Barriere der Klippen hochhieven konnte auf das Plateau, wo die Ware gewogen und dem Fischer gutgeschrieben wurde, der sie gefangen hatte. Auf diese Weise bereicherte man in der Tafellandstadt, in der nach einem kriegerfüllten Sommer großer Mangel an Vorräten herrschte, die Eintopfgerichte aus Wintermoos, die unsere einzige Nahrung darstellten, bis Jahre später der Damm in niederen Regionen gebaut wurde.
    Ich lernte Baltsar an seinem Hubapparat in meinem sechzehnten Winter kennen. Er war eingemummt in dickes Wollzeug und einen Regenmantel aus Ölpapier, obwohl es damals eine jener seltenen winterlichen Zwienächte war, in denen es einmal nicht regnete. Die Nebel über der warmen See tief unten trafen auf die eisigen Winde des Hochlands und erzeugten eine aufwärts gerichtete Luftströmung, die Lage für Lage neue Eismassen auf die Kante des Kliffs und auf Baltsars Ölpapierman-tel lud. Die Brühe aus den Körben, die sich über sie ergoß, wenn er und sein Sklave sich mit dem Rücken gegen die Winde stemmten und die Behälter mit einem langen Haken zu sich hereinzogen, machte die Arbeit jedoch nicht trockener als sonst. Der Korb war nur halb gefüllt, jedoch zählte Baltsar, während sein Sklave die Fische in Transportbehälter stapelte, den Fang sorgfältig und machte sich mit offensichtlichem Vergnügen entsprechende Notizen.
    „Ich hatte mir schon gedacht, daß der Fang heute besonders gut ausfällt, denn der Himmel war so friedlich“, sagte ich. Vermutlich spiegelte der Himmel Ozeanas milde Stimmung wider.
    Baltsar, der sich durch meine Stimme nicht stören ließ, blickte noch einmal von seiner Fangliste hoch. „Während der Nacht machten wir einen sehr guten Fang“, entgegnete er ziemlich unfreundlich, „wie du bestimmt schon längst weißt. Sicherlich kommst du vom Marktplatz und hast dort meinen …“ Er hob den Kopf, und der mürrische Ausdruck seines Gesichts verwandelte sich in Überraschung. „Oh, Verzeihung. Ich nahm an, du wärest … nun, ist auch egal. Willst du frischen Fisch kaufen? Normalerweise ist dies hier nur mein Fangplatz, doch …“
    „Nein“, wehrte ich ab, „kaufen wollte ich eigentlich nichts.“
    Für einen Moment schien er verwirrt zu sein, und er versuchte, in meinem von der Kapuze überschatteten Gesicht zu lesen, dann lächelte er. „Ah, du bist Heao, Rellars Schützling.“ Er blickte zum Himmel auf, wo Nebelschwaden einen wirbelnden Tanz aufführten. „Der Wind ist kräftig und kristallklar. Der Himmel wird sich aufhellen, und wenn du Glück hast, wirst du die Himmelsbrücke sehen können.“
    Er beurteilte meine Absichten völlig falsch, jedoch war diese Vermutung über die Absichten einer Akademerin nicht allzuweit hergeholt. Daher sagte ich: „Ich wußte nicht, daß Händler das Streben Akadems derart aufmerksam verfolgen.“
    Baltsar lächelte wieder. „Eigentlich kümmere ich mich nur um die besonders hübschen Angehörigen des Ordens.“
    „Ach nein“, erwiderte ich und errötete trotz meines gewölbten Rückgrats. Seit dem letzten Krieg begegnete man Fremden mit ausgesprochenem Mißtrauen. Händler waren unter uns eine ganz neue Klasse, landlose Abkommen von Edlen aus dem Flachland, unzufriedene Handwerker, Flüchtlinge aus den Landrabb-Kampagnen, die versuchten, sich in weniger unruhigen Gegenden eine Existenz aufzubauen.
    „Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen, aber du bist so schön, mußt du wissen, trotz deines gräßlichen Gewerbes.“
    „Mein Gewerbe, gräßlich! Und das aus dem Munde eines
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