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Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Titel: Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze
Autoren: Dietmar Bittrich
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Die Galerie der Leidenschaften
    Niemand weiß, wie oft Joschka Fischer mittlerweile geheiratet hat. Nur dass seine Frau vierzig Jahre jünger ist, zwei Köpfe größer und nur halb so schwer, das steht fest. Die beiden sind ein ungleiches Paar. Ivana Trump präsentiert regelmäßig Gefährten, die dreißig bis vierzig Jahre jünger sind, allerdings wechselnde. Agatha Christie heiratete einen vierzehn Jahre jüngeren Mann. Das ging gut.
    Es kann sein, dass einem europäischen Prinzen viele ebenbürtige Mädchen auf Bällen vorgeführt werden; und dann verliebt er sich in eines aus der Vorstadt, dessen Nasenscheidewand löcherig ist vom Kokain. Die Verbindung hält. Oder dass eine wohlerzogene Prinzessin einem rülpsenden Türsteher verfällt, und die Sache geht, na ja, eine Weile. Goethe verbrachte viel Zeit mit adeligen Damen und heiratete eine arme Hutmacherin. Wenn die Mutter von Queen Victoria sich keinen Seitensprung mit einem Abenteurer geleistet hätte, gäbe es, wie wir heute wissen, das englische Königshaus nicht, zumindest nicht so, wie wir es lieben.
    All das sind Celebrities. Sie haben ihren Bonus. Sie haben Sonderrechte. Sie sind weit weg.
    Als meine Tochter mir ihren Mann aus Burkina Faso vorstellte, bekämpfte ich die unkorrekte Empfindung, die beiden passten nicht zueinander. Als mein Onkel mit einer Frau aus Kuba anrückte, war das schon anders. Meine Schwester wurde evangelisch erzogen, entwickelte sich zur kämpferischen Atheistin und verliebte sich schließlich ineinen katholischen Pfarrer. Sie ist immer noch mit ihm zusammen, immer noch inoffiziell. Mein Bruder entdeckte früh eine Neigung zu jungen Frauen, die er retten wollte, und zwar aus einem Bereich, der früher Gosse hieß und mittlerweile in Prekariat umgetauft wurde.
    Ungleiche Paare. Man beobachtet sie, bemitleidet sie, beneidet sie und sagt ihnen ein rasches Scheitern voraus. Bisweilen wünscht man es sogar. Wer sich für weitherzig und tolerant gehalten hat, erlebt Überraschungen. Zum Beispiel, wenn der eigene Vater den Tod der Ehefrau nicht verwindet, schließlich aber doch. Auf einmal ist alle Trauer abgefallen. Aha, eine robuste Polin hat den Haushalt übernommen. Nun möchte er sie heiraten. Die Nachbarn reiben sich schon die Hände. Die Kinder können nicht leugnen, dass die neue Liebe ihm guttut. Die Familienkonferenz wird allerdings ohne ihn einberufen.
    Dergleichen Konstellationen kehren immer wieder. Sie sind aufregend, komisch, bisweilen tragisch. Es hat sie von jeher gegeben. Aus ihnen besteht die Kulturgeschichte der ungleichen Paare. Wer Glück hat, erlebt etwas davon am eigenen Leib. Wer Pech hat, erst recht.
     
    Verliebte rechnen sich alles schön. Sie brauchen nicht einmal zu rechnen. Die Rechnungen gehen von selbst auf. Sie sind gleich. Beinahe eins. Alles passt in den ersten Monaten. Und die paar Unterschiede, die sich bemerkbar machen, sind spannend.
    Fand ich auch. Das Thema der Ungleichheit traf mich unvorbereitet, als ich im vergangenen Jahr Gotha besuchte, ein Städtchen in Thüringen zwischen Erfurt und Eisenach. In die Suche nach klassischen Kulturstätten und verwunschenenWäldern hatte ich einen Abstecher zu meiner ältesten Tante väterlicherseits eingeflochten. Sie war niemals in den Westen gereist und residierte unangefochten in der bröckelnden Villa ihrer Kindheit.
    Sie brauche keinerlei Aufwand zu treiben, hatte ich versprochen. Wir würden Kekse mitbringen und Tee, wir , ach so, ja, richtig, ich brächte jemanden mit. Als sie die schwere, über dunkle Fliesen schrammende Tür aufzog, musste sie einen Moment blinzeln, um sich an die Tageshelligkeit zu gewöhnen. Dann begriff sie, was sie sah, und freute sich mit schonungsloser Aufrichtigkeit: »Dietmar! Dass ich endlich deine Tochter kennen lerne!«
    Sie hatte falsch begriffen. Sie war eine Greisin, tröstete ich mich, eingekerkert in weltferne Düsternis. Deshalb vermochte sie das Alter jüngerer Generationen nicht einzuschätzen. Gewiss, ich hatte eine Tochter, das traf zu. Die hatte sich gerade zum dritten Mal in einen Afrikaner verliebt, in den schwärzesten von allen. Diesmal sei es der richtige, hatte sie mitgeteilt, ihn wolle sie heiraten. Ich hatte keinen Einfluss darauf. Ich konnte lediglich ihrer Mutter die Schuld geben.
    Nein, die junge Frau an meiner Seite, Josephine, war mein biologisches Mittel zur Verjüngung. Machte sie mich etwa älter? Sie war vierundzwanzig, ich zweiundfünfzig. Ich wähnte mich auf Augenhöhe mit Heiner Lauterbach
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