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Liebe im Schnee

Liebe im Schnee

Titel: Liebe im Schnee
Autoren: S. Fischer-Fabian
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meinte), die hat auch a herzige Goschen.
    In diesem Moment hätte beinah ein zweiter Sektkelch aus dem Gläservorrat des Hauses »Zur Sonne« gestrichen werden müssen. In der Tür stand der Hausdiener Toni, schüttelte sich den Schnee aus dem Vollbart und stapfte unverzüglich auf die Bar zu. Es war derselbe Toni, der Kirsten heute nachmittag mit dem Schlitten von der Bahn abgeholt hatte. Und den sie völlig vergessen hatte.
    »Ja mei, wen ham mir denn da?« rief er schon von weitem. Was einen schrecklichen Doppelsinn hatte. Wußte er doch außer Trine Hendricksen als einziger, wen wir da hatten. Das Fräulein Kirsten Bremer nämlich.
    »Um ein Haar hätt i Sie net wiedererkannt«, sagte er und traf damit wieder ins Schwarze, beziehungsweise ins Tizianrote. »I woaß bloß noch net, woran dees liegen mag.«
    »Du lieber Himmel, bei Kerzenlicht, da sieht eine Frau natürlich ganz anders aus, lieber Toni.« Kirsten lachte gekünstelt.
    »Aber mein liebes Fräulein Br...«
    »Brrrrauchen Sie etwas, Toni? Ich meine etwas zu trinken?« Der Toni aber hatte bereits einen sitzen. Mit der Hartnäckigkeit des Betrunkenen kam er immer wieder auf sein Thema zurück. Er glich einem Hund, der sich in einen Knochen verbissen hatte.
    »Wetten hätt i kenna«, sagte er zum Florian Leitner, »daß dees junge Madel heit nachmittag a ganz a andere H...«
    Haarfarbe hatte er sagen wollen. Aber da kippte ihm Trine Herrn Kiekebuschs doppelten Magenbitter auf die Hose. Was einen außerordentlich häßlichen Fleck gab.
    »Ja mei«, sagte der Toni und schien für einen Moment den Faden verloren zu haben. Doch man sah ihm an, daß er sofort wieder danach suchen würde.
    Es galt, rasch zu handeln, dachte Kirsten. Und füllte ein halbes Wasserglas mit einer Mischung aus Wodka, Rum, Calvados, Himbeergeist, Grappa und rotem Pfeffer. Ein Getränk entstand, das jeden Toten wieder zum Leben erweckt hätte. Bei Toni wirkte es gottlob umgekehrt.
    »Vergelts Gott, das Fräulein!« sagte er und trank das Glas in einem Zuge leer. Eine bange Minute lang starrte er auf Kirstens prächtige Perücke, dann sank er mit einem Seufzer vom Hocker.

    Auf dem Sammelplatz der Skischule von Himmelsjoch herrschte das übliche Tohuwabohu. Im schneidenden Frost des jungen Morgens standen vermummte Lastexträger und warteten ergeben auf ihre Abkommandierung zu den einzelnen Gruppen. Aus den Kapuzen blickten Gesichter, die vom Après-Ski der vergangenen Nacht schwer gezeichnet waren. Alle jedoch schienen sie entschlossen, ihre Pflicht zu tun. Frei nach dem Wort, das man einst der Garde Napoleons zuschrieb: Skischüler verzweifeln, aber sie ergeben sich nicht!
    Inmitten des Schilderwaldes, der mit Hilfe von Nummern das Klassenziel der Gruppen anzeigte, standen die Skilehrer. Sie hießen Toni, Pepi, Luggi, Adi, Wiggerl, Sepp, Wastl, Gustl und Nazi, was eine Abkürzung von Ignaz war. Sie trugen rote Pullis und rote Teufelsmützen. Ihre Haut war gegerbt wie altes Schweinsleder. Um ihre Augen spielten tausend winzige Fältchen. Ihre Profile ähnelten Steinadlern. Und ihr Ton war von einem brutalen Charme.
    »San Sie am Stemmbogen, ehrlich?«
    »Ja, einmal ist er mir schon gelungen«, antwortete eine zage Stimme.
    »Dann schleich di zum Pöschl in die vierer. Die tun heit pflügen.«
    »Und Sie, Herr Doktor, wollen mit dem Wedeln anfangen? Daß ich net lach. Ab zu die Parallelschwinger!«
    Der Herr Doktor sagte »Jawohl!«. Und wenn er kein Holz unter den Füßen gehabt hätte, hätte er glatt die Hacken zusammengeschlagen.
    Dann brachen die Gruppen auf zu den Trainingsstätten. Wie riesige Tausendfüßler klapperten sie die Dorfstraße entlang. Auch Jan Kiekebusch war mit von der Partie. Er war einer Gruppe zugeteilt worden, in der neben einigen Matronen sechs italienische Schulkinder ihre ersten Gehversuche unternahmen. Der Sepp vom Skiverleih hatte ihm ein paar uralte Vollhickorybretter angedreht. Die waren schwer wie Blei und sperrig wie ein paar Zaunlatten.
    Jan lief deshalb nicht Ski, er fiel Ski. Wegen des hohen Schnees waren zwei Leute ständig damit beschäftigt, ihn irgendwo auszugraben. Bei der Spitzkehre zum Hang verknotete er seine Beine derart kunstvoll, daß sein Maestro mehrere Male ratlos um ihn herumging.
    »Ja, gibts’n dees aa«, murmelte er, »damit könnten S’ beim Schichtl auf der Wiesn auftreten. Als so a Schlangenmensch. Saggramenta, saggra!«
    Jan Kiekebusch war eben ein bißchen durcheinander. Und das hatte die Liebe getan. Mit ihrer bekannten
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