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Nicht die Bohne!

Nicht die Bohne!

Titel: Nicht die Bohne!
Autoren: Kristina Steffan
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Kapitel 1
    Ach du Scheiße. Eine blaue Linie. Zwei blaue Linien. Ich bin schwanger. Zusammengekrümmt hocke ich auf dem Badewannenrand und versuche eine Schnappatmung zu verhindern. Mir ist kotzübel. Auch mein Sprachzentrum scheint schockbedingt etwas in Mitleidenschaft gezogen zu sein, denn außer »Scheißescheißescheißescheiße« kommt nichts aus meinem Mund, und ich sehe mich nicht in der Lage, diese wenig variationsreiche Wortflut einzudämmen.
    Zu meiner Verteidigung: Das kann einfach nicht wahr sein! Ich hatte dieses Jahr genau ein Mal Sex, und wir haben immerhin November. Ein Mal! Kein Mensch wird nach einem Mal Sex schwanger.
    Ich kann also, rein logisch betrachtet, gar nicht schwanger sein. Was ich hier in Form eines kleinen blauen Kreuzes auf dem Schwangerschaftstest in den Händen halte, muss technischem Versagen geschuldet sein. Das Ding ist kaputt, da haben wir’s. Ich atme erleichtert aus und ignoriere den kleinen Aufdruck auf der Packung, der mir eine 99-prozentige Sicherheit beim Aufspüren von Schwangerschaften verspricht.
    Im Schlafzimmer krame ich meine grauen Chucks unter dem Bett hervor und finde dort praktischerweise auch gleich meine Autoschlüssel. Keine Ahnung, wie die da hingekommen sind. Ich schnappe mir meinen karierten Wintermantel von der Garderobe, stopfe meine widerspenstigen hellbraunen Locken unter meine Lieblingsmütze und begebe mich im Eilschritt zu meinem Golf. Meine Schwester wird Rat wissen. Sie ist die Fachfrau zum Thema Schwangerschaft. Immerhin hat sie zwei davon erfolgreich mit der Produktion von Nachwuchs abgeschlossen. Also gehe ich einfach mal davon aus, dass sie sich auch mit dem technischen Versagen von Schwangerschaftstests auskennt.
    Bei diesem Gedanken geht es mir gleich viel besser. Trotzdem zittern meine Hände auf der Fahrt so sehr, dass ich Schwierigkeiten habe, den Blinker zu setzen. Vermutlich fahre ich sogar Schlangenlinien, aber ich schaffe es unfallfrei bis vor Andreas Haustür. Energisch drücke ich auf die Klingel des rot geklinkerten Reihenendhauses, das meine Schwester und ihr Mann Johannes ihr Eigen nennen. Hinter der blauen Holztür mit dem obligatorischen Familienangehörigen-Informationsschild aus Salzteig ertönen tapsende Schritte, und Sekunden später schwingt sie langsam auf. Mein Neffe Julian steht breit grinsend vor mir.
    »Allo!«, schmettert er mir entgegen, und ein unverständlicher Strom von Worten folgt aus seinem kleinen Mund. Julian ist drei, und ich verstehe bisher leider nur etwa fünfundvierzig Prozent der Dinge, die er so von sich gibt. Der Rest ist eine Sinfonie – oder auch Kakofonie – aus scheinbar willkürlich zusammengesetzten Buchstabenketten. Er hat anscheinend Nachholbedarf, weil er erst mit zwei geschnallt hat, dass er mit dem Mund Laute produzieren kann. Leider hört er seit dieser Entdeckung nicht mehr damit auf, was seine Anwesenheit ausgesprochen anstrengend gestaltet. Nach Angaben meiner Schwester quatscht er sogar im Schlaf. Die gesamte Familie hofft, dass er irgendwann endlich die korrekte Aussprache des deutschen Alphabets lernt oder einfach in die übliche männliche Schweigsamkeit verfällt.
    Ich bücke mich zu ihm hinunter und schiebe ihn etwas unsanft zurück in den Flur, wobei ich mich um einen freundlichen und interessierten Gesichtsausdruck bemühe.
    »Julian, du sollst nicht einfach die Tür aufmachen!«, donnert die Stimme meiner Schwester uns entgegen.
    »Hallo«, antworte ich kläglich und blicke zu ihr auf. Sie hat ihre blonden Haare zu einem praktischen Zopf am Hinterkopf festgezurrt und trägt einen schwarzen Pullover und am Saum zerfranste Jeans. Sie sieht gestresst aus. Da Julian völlig ungerührt weiterplappert, kann ich mir gut vorstellen, warum. Schließlich hat sie die Oberaufsicht über zwei von diesen kleinen sonderbaren Wesen. Nummer eins ist eine echte Zickenprinzessin und Nummer zwei ein Kommunikationswunder ohne Aus-Knopf.
    Ich richte mich auf und platziere ein schiefes Lächeln in meinem Gesicht. Jetzt bloß nicht heulen, Paula!
    »Was ist los, Süße?«, fragt Andrea argwöhnisch und schnappt sich ihren Jüngsten, um ihn ins Wohnzimmer zu tragen. Ich laufe hinterher und werde gleich darauf stürmisch von meiner Nichte, Prinzessin Klara, begrüßt.
    Geschickt montiert Andrea Julian auf dem Sofa und greift sich zeitgleich die Fernbedienung sowie ihre Tochter, die sie direkt neben Julian setzt.
    »So, ihr beiden Hübschen, jetzt dürft ihr ein bisschen Benjamin Blümchen schauen.
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