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Liebe im Schnee

Liebe im Schnee

Titel: Liebe im Schnee
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Verspätung. Und der Schlittentoni, der auf dem Bahnhofsvorplatz neben seiner Haflingerstute Flora stand, hatte die übliche flache Flasche in der Tasche seines Lodenmantels.
    Hinter dem Gamskogel lugte die Sonne hervor und ließ, was blieb ihr anders übrig, den Schnee aufglitzem, als bestünde er aus Diamanten. Die alte kleine Barockkirche trug ihre Schneekappe, das neue große Gotteshaus war noch nicht fertig, vor der Kreditbank stand der Schneemann mit dem zerbrochenen Ski unter dem Arm, und die Lifte schaufelten emsig Skifahrer in die Höhe.
    Es hatte sich, wie wir bereits gemerkt haben werden, nicht allzuviel geändert in Himmelsjoch. Oder wie es der Leiter des Verkehrsbüros in seinem Jahresbericht ausgedrückt hatte: »Wir müssen eine Linie verfolgen, die bei aller Aufgeschlossenheit für die Forderungen der Moderne dem legitimen Bedürfnis des Gastes nach Tradition nachkommt. Im übrigen ist die Zahl der Übernachtungen um weitere 18 Prozent gestiegen.«
    Den letzten Satz hatten die Mitglieder des Gemeinderats verstanden.
    Lediglich der Skichirurg Dr. Hacks hatte einige Tage Unmutsfalten auf der Stirn, als er von den Fortschritten las, die auf dem Gebiet der Sicherheitsbindungen wiederum erzielt worden waren.
    Sicherheitsbindungen auf ihren Skiern trug auch die Konsulin Bremer. Sie stand auf dem Idiotenhügel, angetan mit stahlblauem Anorak, tintenblauer Hose und taubenblauer Kappe — eine Rhapsodie in Blue sozusagen —, und ließ sich von einem Skilehrer in die Tücken des Schneepflugbogens einweihen. Die Konsulin hatte als Backfisch in einem Schweizer Pensionat das letztemal Holz unter den Füßen gehabt. Was, bei aller Galanterie, schon eine Weile her war.
    Neben der Konsulin stand ihr Mann, der Konsul. Er spielte den verteufelten Kerl und lachte betont laut, wenn er hinfiel.
    Der Skilehrer, der die zwei unterrichtete, hieß übrigens Florian Leitner. Im Nebenberuf war er der Schwiegersohn der beiden Schüler. Was ihn nicht davon abhielt, nach der Privatstunde das fällige Honorar zu kassieren. Dienst war schließlich Dienst und Schnaps Schnaps.
    »Jetzt sag i dir’s des letztemal, Schwiegermutter«, brüllte er gerade, »Vorlage hoaßt net, daß d’ dein Hintern in d’ Höh hältst wier a Anten. Schaugt’s her, ihr zwoa!« Im Zeitlupentempo zirkelte er die Figur auf den Hang. Dabei schrie er fortwährend: »‘s Unterg’stell vor! ‘s Unterg’stell vor!«
    Helen Bremer streckte alles, was sie hatte, nach vorn und fiel nach hinten. Sie setzte sich auf die Stahlkanten des linken Ski und vermehrte damit die Zahl der blauen Flecke auf ihrem Körper. Der Konsul konnte seinen Schneepflug keiner Richtungsänderung mehr unterziehen. Er fuhr in seine Gattin hinein, legte sich über sie und stieß ihr den Knauf des rechten Skistocks in den Rücken. Was einen weiteren Farbfleck ergab.
    (»Du siehst aus wie eine Landkarte, Muttchen!« hatte er gestern mit rohem Lachen beim Ausziehen geäußert.)
    Der Florian brauchte eine Weile, bis er die beiden entwirrt hatte. Dann sagte er: »Jetza mach ma Mittag. Um halbe drei seid’s wieder da, ihr zwoa, gell?«
    »Ja«, sagten die zwoa kleinlaut.
    Der Florian bemerkte das und fügte hinzu: »Was wollt’s denn, geht ja scho’ ganz nett. Is no koa Moaster vom Himmel g’f allen. Also, pfüat eich!« Er sprang um, fegte mit Schlittschuhschritten den Idiotenhügel hinunter und verschwand in Richtung Skischule.
    Zum Mittagessen versammelten sie sich alle im Hinterzimmer der »Blauen Gans«, die Bremers, die beiden alten Leitners und die beiden jungen Leitners. Es gab Kirtagans mit Kartoffelknödeln und Rubenkraut. Und vorher eine Grießnockerlsuppe. Und nachher Pfannaringerl. Und alles hatte die junge Frau Leitner zubereitet.
    Die junge Frau Leitner machte sich. Das mußte selbst die alte Frau Leitner zugeben. »Tu nur essen, Tochter!« sagte sie und schob ihr noch ein schönes fettes Stück Gansfleisch auf den Teller, »‘s waar net recht, wannst hungrig auf standst. Bei deinem Zustand.«
    Der alte Leitner blinzelte. Kirsten wurde rot. Ihrer Mutter war es genant. Der Konsul und der Florian prosteten sich zu.
    Als sie beim Kaffee saßen, kam der Postbote herein. Er gab ein großes Paket ab.
    »Von Trine und Jan«, sagte Kirsten und zerschnitt mit dem Küchenmesser den Bindfaden. Dann kam noch ein Karton zum Vorschein. Und noch einer. Und wieder einer. Dann kam Seidenpapier. Und dann hielt Kirsten eine Perücke in der Hand. Eine tizianrote Perücke. Auf einem Zettel
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