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Liebe im Schnee

Liebe im Schnee

Titel: Liebe im Schnee
Autoren: S. Fischer-Fabian
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auf und die Fahrgäste in den Schnee. Kniehoch reichte er ihnen. Die Schneeschipper waren erst auf Bahnsteig eins.
    »Uff!« sagte Kirsten Bremer, die in diesem Moment aus dem Abteil zweiter Klasse, Nichtraucher, stieg. Sie zog ihren Koffer aus einer Schneewehe und warf ihre Skier über die Schulter. Direkt hinter ihr stand der Herr Obermayer. Die Skispitzen wischten ihm fast zärtlich die rote Mütze vom Kopf. Er bückte sich und überlegte sich einen Fluch.
    »Mistamsel, gscherte, bluatsakrament!« gefiel ihm ganz gut. Im letzten Moment fiel ihm ein, daß seine Schwester heuer eine Pension aufgemacht hatte, und da konnte das junge Fräulein ja gerade ihr Gast sein.
    So schluckte er also seinen Fluch hinunter und sagte höflich: »Skiheil, Fräulein, und fei immer Obacht geben, gell?«
    Kirsten widerstand der Versuchung, einen Gepäckträger zu nehmen. Sie stiefelte keuchend den langen Bahnsteig entlang bis zur Sperre und fragte sich, ob Trinchen sie abholen würde. Eine Stunde Verspätung war zwar kein Pappenstiel, aber Trine Hendricksen war schließlich ihre beste Freundin.
    Kirsten stellte sich unter die große Normaluhr und schaute sich auf dem Vorplatz um. Er herrschte ein Betrieb wie am Schlußtag des Münchner Oktoberfestes. Und das wollte was heißen. Pferdeschlitten klingelten. Taxis hupten. Brettl klapperten. Ein Gipsbein schrie nach seinem Gepäck. Die Hausburschen mit ihren grünen Schürzen stürzten sich rücksichtslos in die Masse der Ankommenden.
    »>Edelweiß<, hier steht das >Edelweiß    Und: »Hotel >Zur Post<, wer gehört in die >Post    Ja, in Himmelsjoch, da tat sich was. Der Bürgermeister pflegte beim Stammtisch in der »Blauen Gans« regelmäßig zu fragen: »Wer hätte diese Entwicklung geahnt, meine Herren?«
    Und die Herren pflegten regelmäßig zu antworten: »Niemand hätte das geahnt.«
    Es konnte auch keiner geahnt haben. Mit Ausnahme des Bürgermeisters, versteht sich.
    Vor zehn Jahren wäre es jedem D-Zug peinlich gewesen, in Himmelsjoch halten zu müssen. Im Sommer wuchsen Blümchen zwischen den Gleisen. Die Ziegen, die sich der Stationsvorsteher hielt, knabberten daran herum. Wurde der Personenzug aus Irxendorf gemeldet, verließen die Ziegen beim zweiten Läuten höflich die Gleise. Ein paar Sommerfrischler polterten aus den Abteilen. Mit dicken Rucksäcken und schweren Schuhen. Dann war es wieder still.
    Im Winter war früher schon gar nichts los. Da spielte der Vorsteher mit dem Fahrkartenverkäufer 17 und 4. Und der Bahnsteig lag so verlassen wie ein Friedhof um Mitternacht.
    Ja, und dann waren immer mehr Leute in der Stadt auf die Idee gekommen, sich Holz unter die Füße zu schnallen und in die Berge zu fahren. Sie fanden, das sei schick. So was steckt an. Schulzes gingen nach Lermoos. Meyers gingen nach Hintertux. Weil das höher lag. Sie kamen tiefbraun zurück. Und Krauses waren befremdet. Im Juli ist schließlich jeder braun. Aber im Februar? Im Februar platzen die Kollegen im Büro. Vor Neid. Und der Chef beschließt, dem Schulze, diesem braungebrannten, vitalen Burschen, höhere Aufgaben anzuvertrauen.
    Schuld an der Karriere von Himmelsjoch waren auch die Ärzte. Winterurlaub — doppelter Urlaub, stellten sie fest. Diese Propaganda war genauso kostenlos wie ihre Behauptung, daß Skiläufen gesund sei. Womit sie sogar recht hatten. Niemand erholt sich besser als der, den man zu vier Wochen absoluter Ruhe zwingt. Solange bleibt im günstigsten Fall der Gips drauf.
    Mit einem Wort: Der Aufstieg Himmelsjochs vom Kuhdorf zum Kurort war nicht aufzuhalten gewesen. Der weiße Rausch hatte alle gepackt. Die Bauern bauten erst aus. Dann bauten sie an und nahmen Hypotheken und Gäste auf. Ihre Wiesen verpachteten sie an die Skiliftgesellschaften. Ihre Töchter kramten ihre Trachten aus der Truhe und spielten Serviererinnen. Ihre Söhne brachten weiblichen Gästen außer dem Skifahren noch was anderes bei.
    Gemeinsam zählten sie alle des Abends ihr Geld. Und siehe da: Es lohnte sich! Nur mit Mühe waren sie davon abzubringen gewesen, ihre Kühe abzuschaffen. Aber es gab ja schließlich auch noch so was wie einen Sommer. Und die Sommerfrischler liebten das Gebimmel und den Geruch.
    Der große Zeiger auf der Bahnhofsuhr war inzwischen auf fünf Minuten vor drei Uhr gerückt. Im selben Moment fiel Kirsten Bremers Blick auf ein Schild. Auf dem Schild stand: »Hotel >Zur Sonne<«. Darunter hatte jemand eine dicke, buttergelbe Sonne gemalt. Am unteren Ende des
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