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Liebe im Schnee

Liebe im Schnee

Titel: Liebe im Schnee
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Doktor.«
    »Ich kann schon auf mich aufpassen, Toni, danke schön.«
    Und sie setzte etwas altklug hinzu: »Ach, mit den Männern, da habe ich so meine Erfahrungen...«
    »So, haben Sie die«, meinte der Toni, und es klang etwas zweifelnd. Sie fuhren jetzt über den Marktplatz. Dort stand ein riesiger Schneemann mit einem zerbrochenen Ski unter dem Arm. Die Barockkirche war nach der neuesten Mode gekleidet. Sie trug eine Schneekappe auf ihrem Zwiebelkopf.
    »Süß«, sagte Kirsten.
    »Zu klein ist d’ Kirche. Nächst Jahr ham mir a größere.«
    Toni wies mit dem Peitschenstiel auf einen supermodernen Selbstbedienungsladen. »Da ist die Gemischtwarenhandlung vom Xaver Breitfuß. Und da drüben am Schwalbenhang baut der Schuster-Nazi zwoa neie Pensionen.«
    »Und wem gehört das große Hotel da mit dem Eisschießplatz?« fragte Kirsten.
    »Ja, a schöns Haus.«
    »Ich meine, wem es gehört?«
    »Ah so. Ja, dees gehört dem Doktor Hacks.« Er beugte sich vertraulich zu Kirsten hinüber. »Im Dorf reden die Leit, dees hat er auf Gips gebaut.«
    Sie passierten die Talstation eines Sessellifts. Von hier aus schwebten die Skiläufer mit Hilfe eiserner Sessel auf die Flanken des 2000 Meterhoch liegenden Madelejochs.
    »Bend the Knie, my Lady, bend the Knie! Go more down, Wachtel, fade!« Diese Stimme klang vom Idiotenhügel herüber. Sie gehörte einem Skilehrer, der einigen englischen Damen zeigte, wie man am schnellsten abrutscht. Was keine Zweideutigkeit ist, sondern eine schwierige Übung.
    Kirsten spürte, wie es ihr in den Beinen kribbelte. Seit fast einem Jahr hatte sie keine Bretter mehr unter den Füßen gehabt. Sie stieß Toni ihren linken Ellbogen in die Seite und sagte: »Bin ich aufgeregt, Toni! Morgen stehe ich ganz früh auf und mache als erstes...«
    Kirsten konnte nicht mehr ausführen, was sie morgen als erstes machen wollte. Sie stieß einen leisen Schrei aus und rutschte blitzschnell von ihrem Sitz unter die Lederdecke des Fußsacks. Der Toni zügelte erschrocken das Pferd.
    »Wie hammers denn, Fräulein?«
    »Fahren Sie weiter, Herr Toni«, flüsterte Kirsten unter der Decke hervor, »ganz unauffällig weiterfahren! Da rechts steht ein Mann. Der darf mich nicht sehen. Denn wenn er mich sieht, dann erzählt er, daß er mich gesehen hat, und dann ist alles aus. Ist das klar?«
    »Ja mei«, sagte der Toni wieder, schob seinen Gamsbarthut in die Stirn und kratzte sich am Hinterkopf. Dann hob er die Peitsche. Flora fiel in einen scharfen Trab. Rasch gewannen sie den Ortsausgang und passierten die Holzbrücke, die über den Rißbach führte. Kirsten warf einen vorsichtigen Blick zurück und kroch wieder auf den Kutschbock.
    »Toni«, sagte sie, und aus ihrer Stimme war jede Munterkeit gewichen. »Könnten Sie mich nicht direkt ins Kurbüro fahren zu meiner Freundin? Ich kann jetzt nicht mit Ihnen in die >Sonne< kommen. Ich komme nie in die >Sonne<. Nie! Ich — ich...«
    Sie zog ihr Taschentuch und schneuzte sich kräftig.

    »Du trinkst jess eine Snaps, Mädschen, und dann überlege isch.« Trine Hendricksen drehte den Schlüssel im Schloß herum. Die Uhr zeigte auf halb vier. Mal mußte Schluß sein. Auch in Kurbüros zur Saison. Sie zog die Vorhänge vor die große Schaufensterscheibe mit den bunten Plakaten und löschte das Licht der Neonröhren. Die kleine Schreibtischlampe ließ sie brennen.
    Kirsten schaute ihr dabei zu und freute sich, daß es Trine gab. Ihre Freundin war eine Dänin oder, wie sie selbst sagte, »eine echte Kopenhäger«. Sie sprach gut Deutsch. Wenn man von dem Ärger mit dem »ch« absah und dem »z«. Aber den haben alle Dänen.
    Kennengelernt hatte man sich auf der Universität. Kirsten war gerade bei den Medizinern zu Gast gewesen, als man ein
    Mädchen aus dem Präpariersaal herausgetragen hatte. Es war ohnmächtig geworden. Zum drittenmal. Das Mädchen hieß Trine und konnte den Anblick nackter Leichen nicht vertragen.
    Kirsten hatte sie mit auf ihre Bude genommen und ihr einen Kaffee gekocht. So waren sie Freundinnen geworden. Trine hatte schließlich das Medizinstudium aufgeben müssen (beim vierten Ohnmachtsanfall hatte sie die Leiche mit zu Boden gerissen) und war ins Leben getreten. Schließlich sprach sie drei Sprachen.
    »Weißt du exakt, daß es der Mensch war?« fragte Trine und machte sich tiefgebückt am Schreibtisch ihres Chefs zu schaffen. Sie kam mit einer Flasche Enzian und zwei Gläsern wieder hoch. Sie goß die Gläser randvoll und hielt die Flasche prüfend
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