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Liebe im Schnee

Liebe im Schnee

Titel: Liebe im Schnee
Autoren: S. Fischer-Fabian
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DAS VORWORT
    ODER WIE ES DAZU KAM

    »Sie sollten«, sagte mein Verleger und schaute gedankenschwer auf die tanzenden Schneeflocken vor dem Fenster seines Büros, »Sie sollten einmal einen Wintersportroman schreiben.«
    »So was kommt nicht an«, sagte ich.
    »Wer sagt das?« fragte mein Verleger.
    »Alle«, sagte ich, »sagen es.«
    »Also, die sind ja allesamt«, sagte mein Verleger und klopfte mit dem Bleistift auf den Teaktisch, »allesamt..., nun, Sie wissen, was ich meine.« Er blieb vor mir stehen und spielte mit zwei winzigen Skiern, die; an der Kette seiner goldenen Taschenuhr baumelten. »Es laufen, ich weiß nicht wie viele Millionen Bundesbürger Ski. Es ist sozusagen eine Lawine, die da in den letzten Jahren auf uns zugekommen ist. Wenn von diesen soundsoviel Millionen nur soundsoviel Prozent Ihr Buch, das heißt unser Buch...« Er setzte sich an den Schreibtisch und warf einige Zahlen auf das Papier. »Wenn also nur jeder Zwanzigste mein Buch kaufen würde, dann ergäbe das eine Auflage...« Er murmelte geraume Zeit vor sich hin. »Ja, dann müßten wir eigentlich hinkommen. Wollen Sie also oder wollen Sie nicht?« Sein Bleistift zeigte direkt auf meine Brust.
    »Ich würde es wollen, wenn ich es könnte. Nämlich Ski laufen«, warf ich zaghaft ein.
    Mein Verleger schwieg einen Moment irritiert. Er fing sich schnell wieder. »Papperlapapp!« sagte er.
    Ich stimmte ihm zu.
    »Papperlapapp deshalb, weil kein Theaterkritiker ein Drama schreiben kann, kein Sportreporter die Riesenwelle beherrscht und kein Leitartikler zum Bundeskanzler taugt. Mit einem Wort: man braucht kein Kalb zu sein, um zu wissen, wie Kalbfleisch schmeckt.« Mein Verleger ruhte sich eine Weile aus auf seinem Bonmot. »Außerdem können Sie es ja lernen. Alles kann man lernen im Leben. Selbst in Ihrem Alter!«
    Ich begann also. Ausgerüstet mit Leihski, Leihskischuhen und einer Fahrkarte meines Verlegers in der Anoraktasche nahm ich Abschied von meiner Familie. Ich brach auf. Und am siebten Tag brach ich mir den Knöchel.
    Fünf Winter lang fuhr ich alpenwärts. Fünf Winter lang rief mich mein Verleger an und fragte: »Können Sie es?«
    Ich konnte es nicht.
    Im sechsten Winter — man schrieb den Februar 1965 — schlug mir der Wiggerl, was mein bajuwarischer Skilehrer ist, auf die Schulter und sagte mit stiller Herzlichkeit: »So bleed san S’ doch net, wie i immer g’moant hab.« Mir war der erste Parallelschwung gelungen!
    An einem brüllend heißen Junitag tauchte ich meine Füße in einen mit Eiswasser gefüllten Eimer und stellte die Schreibmaschine auf den Tisch. Ich begann zu schreiben. Es wurde — fast ein Tatsachenbericht...

Das erste Kapitel
    ES SCHNEIT IN HIMMELSJOCH

    Schnee ist für einen Wintersportort so wichtig wie Schlagsahne für einen Windbeutel. Wenn zuviel Schlagsahne, Verzeihung, wenn zuviel Schnee fällt, kann das auch lästig werden. Selbst für einen Wintersportort.
    In Himmelsjoch schneite es seit genau 72 Stunden. Die ältesten Einwohner konnten sich an soviel Schnee nicht erinnern. Das Wetteramt verkündete stolz, daß es sich um die »schneereichste erste Märzwoche seit 1866« handle. Und verschwieg taktvoll, daß es noch 72 Stunden vorher prophezeit hatte: »In den nächsten Tagen ist mit nennenswerten Niederschlägen nicht zu rechnen.«
    »Die lügen halt das Blaue vom Himmel herunter«, meinte Stationsvorsteher Obermayer und versuchte, durch den Flockenwirbel zum Himmel emporzustarren. Da aber war nichts Blaues zu sehen. Es war eben bereits alles heruntergelogen. Er stieg mißmutig über den großen Schneehaufen vor der Gepäckausgabe und warf zum siebtenmal einen Blick auf die Uhr. Eine Stunde und vier Minuten Verspätung hatte nun der Münchner D-Zug bereits.
    Verrückt geht es zu, dachte Stationsvorsteher Obermayer, im Februar waren die Leut’ abgereist, weil es zuviel regnete, und jetzt konnten sie nicht kommen, weil es zuviel schneite. Er dachte kurz über die Ursache nach und entschied sich für die Atombombe.
    »Ich habe es schon immer gesagt«, sagte er zum Gepäckträger, der just in diesem Moment vorüberwatete, aber wie üblich nicht zuhörte. Denn er wußte, was der Chef schon immer gesagt hatte. Stationsvorsteher Obermayer wischte ärgerlich mit der Signalkelle über den auf einem Kofferstapel liegenden Schnee, da läutete es. Dem D 23 aus München war es also gelungen, nach Himmelsjoch vorzudringen. Schnaufend, zischend und kreischend hielt er auf Bahnsteig zwo. Die Türen flogen
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