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Daphne - sTdH 4

Daphne - sTdH 4

Titel: Daphne - sTdH 4
Autoren: Marion Chesney
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Erstes Kapitel
    Lady Godolphin hatte ein schlechtes
Gewissen. Sie saß mit Daphne Armitage in ihrer bequemen Reisekutsche, die auf
den sommerlichen Straßen der Grafschaft Berham zügig vorankam.
    Daphne war
in London bei ihrer Schwester Annabelle gewesen. Obwohl sie gerade ihren
achtzehnten Geburtstag gefeiert hatte, gab es noch keine Pläne, sie in die
Gesellschaft einzuführen, da ihr Vater, Hochwürden Charles Armitage, im Moment
gut bei Kasse war und ausnahmsweise seiner nächsten heiratsfähigen Tochter ein
bißchen Zeit ließ, ehe er sie zum Traualtar trieb.
    Aber Daphne
war auf einer von Lady Godolphins Gesellschaften einem sehr schönen jungen
Mann begegnet und hatte sich in ihn verliebt; und nun lag eine Verlobung
durchaus im Bereich des Möglichen. Der Mann ihrer Wahl hieß Cyril Archer, er
war in der Londoner Gesellschaft berühmt für seine Jugend, Schönheit – und
Dummheit.
    Und jetzt
hatte Lady Godolphin das unbehagliche Gefühl, daß sie der Sache beizeiten einen
Riegel hätte vorschieben müssen.
    Die älteren
Armitage-Mädchen hatten richtige Männer geheiratet, gutaussehende,
hinreißende, vitale Männer, keine hohlköpfigen, radschlagenden Pfauen. Minerva
war glücklich mit Lord Sylvester Comfrey verheiratet, Annabelle mit dem
Marquis von Brabington und Carina mit Lord Harry Desire.
    Nicht daß
Daphne besonders viel Verstand hätte, dachte Lady Godolphin schlechtgelaunt.
Aber der Pfarrer – davon war sie fest überzeugt – würde Daphnes Entscheidung
ganz bestimmt nicht gutheißen. Mr. Archer war zwar nicht unvermögend, doch
keineswegs reich.
    Und Charles
Armitage würde ohne Zweifel ihr, Lady Godolphin, vorwerfen, daß sie ihre
Finger im Spiel gehabt habe, da sie schließlich Daphne mit Mr. Archer bekannt
gemacht hatte.
    »Er hat
ausgezeichnete Manieren, und er liebt mich«, sagte Daphne außergewöhnlich
ernsthaft.
    »Oh, aha!
Ich weiß nur nicht, was Charles dazu sagt.«
    »Vater? Ach, Vater bemerkt mich
doch überhaupt nicht.«
    »Das würde
ich nicht sagen. Er hat immer gesagt, daß du die Schönste von der ganzen Bande
bist.«
    »Das weiß
ich«, sagte Daphne mit unverhohlener Eitelkeit.
    Lady
Godolphin lehnte sich vor und schob das Fenster herunter. Mit der heißen
Sommerluft drang der Duft von wildem Thymian und Majoran ins Wageninnere.
Wölkchen aus Distelwolle trieben über die tiefgrünen Weiden am Fluß, blieben
hängen und trieben weiter. Die Hecken schillerten in allen Farben – die Wikken
gelb und purpurrot, der wilde Pastinak zartgelb und der Klee weiß. Ein Flug
Waldtauben lärmte in den Vogelbeerbäumen, die noch orange waren, und leuchtend
bunte Schmetterlinge tanzten ziellos durch die schläfrig machende Luft.
    Lady
Godolphin fielen die Augen zu. Sie machte sich um nichts und wieder nichts
Sorgen. Schließlich war sie gar nicht so schrecklich nah mit den Armitages
verwandt, und sie hatte mehr als genug für die anderen Mädchen getan. Daphne
war genauso hohlköpfig und dumm wie Mr. Archer. Aber Lady Godolphin erinnerte
sich – schon halb im Schlaf – an eine Daphne, die zusammen mit Diana zu jedem
Unsinn aufgelegt war; an eine Daphne, die vor Leben sprühte, mit
windzerzausten, aufgelösten Haaren und gerötetem Gesicht, die nicht den
kleinsten Gedanken an ihre Kleidung verschwendete.
    Kurz danach
öffnete sich ihr Mund, und sie begann zu schnarchen.
    Daphne
musterte ihr schlafendes Gesicht ein paar Augenblicke lang. Dann streckte und
reckte sich die elegante junge Dame nach Herzenslust, gähnte herzhaft, kratzte
sich ausgiebig die Rippen und legte ihre Füße auf den gegenüberliegenden Sitz,
während sie sich behaglich zurücklehnte.
    Sobald sie
keine Zuschauer hatte, vergaß Daphne ihre Schönheit. Für sie war Schönheit
eine Rüstung, die man anlegte, bevor man sich den Blicken anderer aussetzte, ob
Fremde oder Nahestehende. Daphne hatte herausgefunden, daß Schönheit alle
Mängel ausglich – fehlende Mitgift und fehlende Intelligenz. Solange sie schön
aussah und lieb lächelte, mußte sie sich in keiner Weise anstrengen. Schönheit
bedeutete, daß man ein für allemal geliebt wurde.
    Man
brauchte doch nur zu sehen, wie die arme kleine Diana nichts als die rauhen
Seiten ihres Vaters zu spüren bekam, weil sie sich immer im Stall und im
Hundezwinger aufhielt und keinen Hehl daraus
machte, daß sie lieber als Junge zur Welt gekommen wäre.
    Die Sonne
sank tiefer am Horizont, und Krähenschwärme flogen auf den Wald zu. Der Himmel
nahm eine blaßgrüne Färbung an,
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