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Schattenstürmer

Schattenstürmer

Titel: Schattenstürmer
Autoren: Alexey Pehov
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Kapitel 1

    Ranneng
    Wer im südlichen Vagliostrien lebt, den Norden des Landes nie gesehen hat und Awendum nicht kennt, glaubt meist, Ranneng sei eine schier überwältigende Stadt. Gewiss, klein ist sie nicht. Aber mit Awendum kann sie nun einmal nicht mithalten.
    Und für alle, die es nicht wissen: Ranneng war einst die Hauptstadt des Königreichs, verlor diesen ehrenvollen Rang dann jedoch im Krieg des Frühlings, als die Orks aus den Wäldern Sagrabas bei uns einfielen. Es ist die älteste Stadt Vagliostriens. Selbst die kundigsten Geschichtsschreiber des Königreichs wissen nicht mehr, wann der Grundstein zu ihrem ersten Bauwerk gelegt wurde, derart lange ist das her.
    In den letzten eintausendfünfhundert Jahren sah Ranneng rund hundert Herrscher kommen und gehen, bot Dutzenden von Generationen ein Zuhause, fand nach sechs großen Bränden, die die Stadt beinah vom Antlitz der Erde getilgt hätten, immer wieder zu seiner Größe zurück und überstand mehrere Aufstände und Epidemien.
    Nachdem es von den Orks im Krieg des Frühlings mehr oder weniger dem Erdboden gleichgemacht und anschließend wieder aufgebaut worden war, galt Ranneng als die schönste Stadt im Königreich. Die Architektur, die den Göttern geweihten Tempel, das Grün überall, die breiten Straßen und die Springbrunnen alle hundert Yard zogen zahlreiche Reisende, Neugierige und Händler an.
    Gleich zu Beginn seiner Herrschaft gab der damalige König Stalkon den Befehl, in Ranneng eine Universität zu gründen. Studenten aus nahezu sämtlichen Königreichen des Nordens strömten herbei. Der Universität gegenüber lag ein großer Park – das war ein kleiner Wald inmitten der Stadt, wenn man so will. Durch ihn erreichte man die Oberstadt. Der Weg führte auch an dem gewaltigen Bronzetor der Schule der Magier vorbei. Diese Schule stand am Beginn des Weges eines jeden Magiers im Königreich, hier brachte man den künftigen Zauberern das Einmaleins ihres Faches bei. Erst nach einer fünfjährigen Ausbildung in Ranneng durften sie zur Schule in Awendum überwechseln, um ihre Kenntnisse dort zu vervollkommnen. Der Schule der Magier und der Universität verdankte Ranneng auch die Bezeichnung als Stadt des Wissens.
    Ranneng war auf fünf Hügeln erbaut, die am Schnittpunkt der großen südlichen Handelswege des Königreichs lagen. Einen geeigneteren Ort zur Gründung einer Stadt hätte man sich also kaum denken können. Ranneng war schön, ja, prachtvoll sogar – nicht ohne Grund besangen Poeten die Stadt, aber es hatte auch einen entscheidenden Nachteil: Es lag wesentlich dichter an den Wäldern Sagrabas und damit viel näher bei den Orks als Awendum. Sollten die Orks abermals von Kampfeslust gepackt werden, so wäre es ihnen ein Leichtes, über Ranneng herzufallen, während sie eine ganze Weile bräuchten, um ans Kalte Meer zu ziehen. Eben dies war auch der Grund, warum Ranneng seit fünfhundert Jahren nicht mehr die Hauptstadt war. Die Orks hatten die Menschen Vorsicht gelehrt. Den Fehler, den sie noch im Krieg des Frühlings gemacht hatten, wiederholten sie nicht: Sie setzten das Herz des Königreichs nicht solcher Gefahr aus. Denn was auch immer man dem Geschlecht der Stalkonen vorwerfen mochte, dumm waren sie nicht. Der König hatte seinen Hof nach Norden verlegt, nach Awendum, also weit weg von den Wäldern Sagrabas und damit einer möglichen Gefahr.
    Und dort, wo der König ist, dort ist – eben! – auch die Hauptstadt.
    Doch lassen wir es bei diesem kurzen geografischen und historischen Exkurs bewenden, denn nun kam endlich das Stadttor in Sicht.
    Unsere Gemeinschaft erreichte Ranneng am späten Vormittag, zusammen mit unzähligen Menschen aus Dörfern, Städten und anderen Ländern, die zu den Stadttoren strömten, um zu kaufen, zu verkaufen, zu stehlen, um Arbeit zu suchen, zu studieren, Verwandte zu besuchen, Gerüchte zu hören oder um sich schlicht und einfach an der Schönheit der Stadt zu weiden. Bei diesem Andrang rechnete ich nicht damit, vor dem frühen Abend Einzug in die Stadt halten zu können.
    Die Menge lärmte in geradezu unbeschreiblicher Weise. Alle redeten durcheinander, schrien, brüllten und stritten oder verteidigten mit Schaum vor dem Mund ihr Recht, vor den anderen durchs Tor zu gehen. In der Nähe eines Karrens voller Rüben kam es zu einer Schlägerei um einen Platz in der Schlange. Die Stadtwache trachtete zwar danach, Ordnung zu schaffen, verschlimmerte das Ganze allerdings nur, da die aufgebrachten Dörfler
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