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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz
Autoren: Sheri S. Tepper
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1
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    Die Menschheit wurde vor dem sicheren Untergang bewahrt, als Lek Korsyzczy seine Frau in der Hochzeitsnacht davon in Kenntnis setzte, daß ihr erstes Kind ein Sohn werden würde. Gewisse Intelligenzen (bei denen es sich um die Selleries handelte) bekundeten später, es sei dieses Ereignis gewesen, welches die Kausalkette in Gang gesetzt habe. Es begab sich gegen ein Uhr an einem Sonntagmorgen in einem Oktober der neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, Standardzeit. Lek machte die Bemerkung, als Maria gerade mit ihm zu Bett gehen wollte. Obwohl er wegen des Champagnergenusses leichte Artikulationsschwierigkeiten hatte, war seine Stimme doch so fest, um Maria zu signalisieren, daß sie in dieser Sache keine Wahl hatte.
    In diesem Augenblick hatte er auf Maria gewirkt wie einer der Kunden im Holzhof, in dem sie arbeitete, der in geschäftsmäßigem Ton Bauholz bestellte. Sie musterte ihren frischgebackenen Ehemann mit einem ebenso nachdenklichen wie besorgten Blick. »Leksy, ich glaube, in diesem Fall kommt es so, wie es kommt, du verstehst? Meine Schwester Judy, die mit dem Klempner verheiratet ist, bekam auch erst vier Mädchen, bevor Buddy geboren wurde.«
    Leksy zuckte die Achseln. Seine breiten Schultern waren mit großen organgefarbenen Sommersprossen und einem Flaum aus rotblonden Härchen bedeckt. Maria hatte schon beschlossen, daß er sich etwas überziehen sollte, wenn sie Liebe machten, denn der Flaum kitzelte. So kitzlig wie sie war, würde sie sicher lachen, und Lachen, so hatte ihre Schwester Judith gesagt, war in einem solchen Fall absolut nicht ratsam.
    »Es sagt einem keiner, wie lächerlich das ist«, hatte Judith ihr nach dem fünften Glas Champagner auf der Toilette anvertraut. »Die Nonnen sagen es einem bestimmt nicht. Die Priester auch nicht. Sie faseln nur etwas von Sünde, aber niemand sagt einem, wie lächerlich es ist. Und dann tust du diese dumme Sache – oh, versteh mich nicht falsch, es kann auch Spaß machen –, und du fragst dich, wie er wohl aussieht und würdest am liebsten lachen, und ich sage dir, tu es nicht! Du mußt es dir verkneifen. Du ahnst nicht, wie komisch manche Männer dabei aussehen!«
    Wo sie nun den Haarflaum auf Leksys Schultern und Armen betrachtete, wurde Maria sich bewußt, daß sie Maßnahmen treffen mußte, um nicht zu lachen. »Ich meine«, sagte sie, »ich will nur nicht, daß du dich auf einen Jungen kaprizierst.«
    »Du verstehst nit«, sagte er und hickste leicht; nun entfalteten die vielen Drinks ihre volle Wirkung. »Ich hab das mit der Heiligen Jungfrau abgemacht.«
    »Du hast was?«
    »Ich hab’s abgemacht.« Leksy fielen die Augen zu. Dafür öffnete er den Mund und stieß ein leises Schnarchen aus. Es war nur ein rauhes Atmen, ein leises Gurgeln, aber es handelte sich definitiv um Schnarchen und nichts anderes. Keine Lust. Auch keine Leidenschaft.
    Maria sah ihn an. Sie wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Es war irgendwie ein schmutziger Witz, daß er so eingeschlafen war. ›Da war dieser Kerl, und er trank zu viel auf seiner Hochzeit, und an diesem Abend blieb seine junge Frau lange im Bad, so daß er einschlief, bevor irgend etwas passierte…‹ Nicht daß sie so lange im Bad gewesen wäre! Andererseits, wo er eingeschlafen war, hatte sie nun Zeit, über seine Worte nachzudenken, daß er es mit der Heiligen Jungfrau abgemacht hätte. Im Grunde wunderte sie sich auch nicht darüber. Heute wohl, aber damals nicht. Viele Dinge, die Leksy tat, waren auf den ersten Blick verwunderlich, doch auf den zweiten nicht mehr. Die Familie Korsyzczy war nämlich religiös. Nein, fromm. Das war die passende Bezeichnung. Vielleicht etwas frommer, als ihnen frommte. Wer außer Leksy hatte fünf Schwestern, die Nonnen waren und drei Brüder in heiligen Orden. Festessen in ihrem Haus waren wie eine Synode! Und die Religion bestimmte den ganzen Alltag, als ob Gott jeden Atemzug beobachtete! Ein richtiger Religionstick!
    Maria war müde und selbst angetrunken. Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen, denn sie vertrug eigentlich keinen Alkohol. Immer wenn sie etwas trank, mußte sie sich entweder übergeben oder hatte sofort einen Schwips. Sie beschloß, ein schönes, heißes Bad zu nehmen. Es entsprach zwar nicht ihren Vorstellungen von Romantik, daß Leksy einfach eingeschlafen war, aber ihre Ehe würde sich vielleicht
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