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Leichenschänder

Titel: Leichenschänder
Autoren: Jürgen Benvenuti
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erklärte mich bereit, beim nächsten Tiermord einen Text zu verfassen. Huber klopfte mir schwungvoll auf den Rücken und gratulierte mir, ohne rot zu werden, zu meiner Wahl für den Journalismus. Dann betonte er noch, wie sehr er sich auf meinen ersten Artikel freue, und obwohl er dabei lächelte, klang der Satz wie eine Drohung. Mit zweideutigem Zwinkern wünschte er mir ein erholsames Wochenende und wandte sich seinen Fischen zu. Ich machte, dass ich rauskam.
    Ich ging ins
Westend
, ein Café am Westbahnhof, trank ein Bier, rauchte ein paar Zigaretten und blätterte die Konkurrenzblätter durch. Nichts, das ich nicht schon vor einer Woche gelesen hätte, oder vor einem Monat, oder auch schon vor einem Jahr.
    Um Viertel nach fünf zahlte ich und fuhr mit der U3 bis zur Johnstraße. Ich schlenderte durch den Meiselmarkt, der wegen der verfluchten Kälte fast ausgestorben war, kaufte mir einen Döner, den ich im Stehen aß, überquerte anschließend die Hütteldorfer Straße und stieg die Treppen zu meiner Wohnung in der Holochergasse hinauf.
    Am Morgen hatte ich keine Zeit gehabt, mir das Ausmaß der Verwüstungen genauer anzusehen. Jetzt hatte ich sie. Und als ich das Chaos in meiner Wohnung sah, blieb mir kurz die Luft weg.
    Überall leere Flaschen und volle Aschenbecher, und dazu kam noch der mit Heizöl vollgelaufene Ofen, der einen penetranten Gestank verströmte. Mit einem resignierenden Seufzer warf ich meine Fototasche aufs Bett und machte mich an die Arbeit.
    Nach eineinhalb Stunden hatte ich mein Domizil vom ärgsten Dreck befreit und der Glasrecyclingindustrie zu einem Konjunkturaufschwung verholfen. Nachdem ich mir den Ruß von Armen und Händen gewaschen hatte – ich musste das Heizöl mit einer Konservendose aus dem Ofen schöpfen –, verstaute ich meine unbenutzten Filme im Kühlschrank, warf mich aufs Bett, zündete mir eine Zigarette an und schaltete den Fernseher ein.
    Die Nachrichten brachten eine Rede des neuen ORF-Chefs, in der er darauf hinwies, dass die Kulturprogramme in Zukunft vermehrt im Vordergrund stünden. Ich blies Rauch gegen die Decke und dachte mir, wenn die zukünftigen Kultursendungen des ORF vom gleichen Niveau waren wie die bisherigen, würde sich in nicht allzu ferner Zukunft die Hälfte der Österreicher in einem Alphabetisierungskurs wiederfinden. Die meisten Österreicher hielten sich bereits für kulturinteressiert, wenn sie um acht, nach dem Wetterbericht, nicht den Sport, sondern das Kulturjournal schauten.
    Als die Märchenstunde vorbei war, startete eine Serie namens
Babe Watch
, die mich an einen Werbespot für Kalifornien erinnerte. Ich ertrug den Schwachsinn fünf Minuten, dann schaltete ich die Kiste aus und schnappte mir irgendein Buch. Der ORF machte es einem wirklich leicht, zum Vielleser zu werden.
    Gegen Mitternacht schaltete ich den Fernseher ohne große Hoffnungen noch einmal ein. Ich hatte Glück.
Miami Blues
lief. Ich genoss den Film und drei Bier, und als ich mich schließlich um zwanzig vor zwei aufs Ohr haute, hatte ich immer noch das Grinsen des gutgelaunten Psychopathen Frederick J. Frenger Jr. vor Augen.

Drei
    Samstag. Keine Arbeit, lange schlafen. Ein Tag nach meinem Geschmack.
    Ich stand gegen Mittag auf, duschte ausgiebig und trank eine Tasse Kaffee. Dann durchsuchte ich meinen Küchenkasten und entdeckte eine staubige Dose Baked Beans. Besser als nichts.
    Während ich die Bohnen aufwärmte, kam ich in den Genuss einer lautstarken Diskussion meiner Nachbarn. Sie waren sich uneinig, ob eine Flasche Wein zum Mittagessen ein Zeichen von Tischkultur oder von Alkoholismus war. Das Geschrei dauerte ungefähr eine halbe Stunde und endete pünktlich um eins. Wahrscheinlich begann gerade die zehnte Wiederholung einer Seifenoper. Und da soll noch jemand behaupten, das Fernsehprogramm des ORF sei für gar nichts zu gebrauchen.
    Nach dem Essen setzte ich mich in Jeans und Pullover an den Küchentisch und blätterte Werbeprospekte durch, die mir unter anderem empfahlen, zehn Liter Orangensaft auf einmal zu kaufen und dadurch satte neunzig Groschen zu sparen oder unbedingt die neue Qualität des Genießens zu entdecken und die Kaffeemischung
Rio Grande
zu probieren. Jetzt stark verbilligt! Ab zwanzig Packungen gab es einen Scherenschnitt von John Wayne gratis dazu.
    Ich konnte es den Prospektverteilern nicht übelnehmen, dass sie ihren Mist an jede Türschnalle hängten und die Aufkleber mit der Aufforderung, sich den Werbemüll dahin zu stecken, wo keine
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