Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leichenschänder

Titel: Leichenschänder
Autoren: Jürgen Benvenuti
Vom Netzwerk:
weiter …“
    „Papperlapapp! Rechtschreibung, Ausdrücke! Glauben Sie im Ernst, einer meiner Journalisten würde sich in Orthografie auskennen? Die denken, das ist ein Schuster für verkrüppelte Füße. Oder meinen Sie wirklich, diese Zombies, die unser Blatt kaufen, würden einen falschen Ausdruck bemängeln? Die haben einen Wortschatz, der auf der Rückseite einer Briefmarke Platz fände. Na, was sagen Sie, Breitmaier?“
    „Ich bin mir nicht sicher, Herr Huber“, antwortete ich und verknotete meine Finger ineinander.
    „Lassen Sie sich Zeit. Überlegen Sie in aller Ruhe.“ Er lächelte mich mild an. „Aber wenn ich nicht spätestens nächste Woche einen Artikel von Ihnen auf meinem Schreibtisch habe, sind Sie draußen. Haben Sie mich verstanden?“
    Ich hatte verstanden. Was soll’s, dachte ich. Selbst meine Schulaufsätze hätten für
Voll Dran!
eine Niveausteigerung bedeutet.
    Die Tür wurde aufgerissen und Glitzermann kam hereingeschneit wie der weihnachtliche Niederschlag, glänzend und kalt. Er hatte sich umgezogen und sah nun aus wie der Moderator einer Transsexuellenshow.
    „Nettes Sakko“, sagte ich. „Gibt’s das auch für Männer?“
    Glitzermann holte tief Luft, durfte aber sein Sprüchlein nicht an den Mann bringen, denn Huber warf uns beiden einen Blick zu, der einen Panzer gestoppt hätte.
    „Hören Sie auf mit diesem Unsinn! In einer halben Stunde eröffnet Albert Drake den neuen Möbelmarkt in Simmering, und ich möchte, dass Sie beide dorthin fahren und nicht ohne einen Haufen gottverflucht guter Fotos zurückkommen. Es sei denn, Sie wollen meine Piranhas näher kennen lernen. Das gilt vor allem für Sie,
Laurenz
.“ Er deutete auf das Aquarium in der Ecke, in dessen trübem Wasser ein paar unidentifizierbare Fische träge herumdümpelten.
    Ich verkniff mir das Salutieren und verschwand hinter Glitzermann aus dem Büro.
    „Na, alles verstanden,
Laurenz
?“, fragte mich Glitterfreddy auf dem Weg zur Treppe.
    „Nenn mich nicht Laurenz, du verhinderte Friseuse!“ Ich konnte meinen Namen, eine Ausgeburt des alkoholumnebelten Gehirns meiner Mutter, nicht ausstehen. Meine Freunde, hätte ich welche, würden mich Enzo nennen. Das klang rassig und geheimnisvoll. Natürlich wusste Glitterfreddy, dass ich es hasste, Laurenz genannt zu werden, und natürlich nannte er mich aus genau diesem Grund so, wann immer ihm danach war.
    „Was wollte Huber denn von dir, Breitmaier? Nein, lass mich raten. Er hat gedroht, dich rauszuschmeißen, wenn nicht innerhalb einer Woche ein Artikel von dir auf seinem Schreibtisch liegt, hab ich recht?“
    „Hast du an der Tür gelauscht?“
    „War gar nicht nötig“, sagte Glitterfreddy. „Das kenn ich alles noch von mir. Wie lange bist du jetzt bei uns? Sechs Monate?“
    Ich nickte.
    „Ich bin schon fast drei Jahre hier. Ich kenne sämtliche Tricks von Huber.“
    Wir gingen schweigend die Treppe hinunter. Glitzermann stieß die schwere Glastür auf, trat hinaus auf die Straße, hielt Ausschau nach dem Firmenwagen und sagte: „Wo hat die blöde Kuh die Karre diesmal abgestellt?“
    Wir hatten drei Firmenfahrzeuge. Zwei Ford Fiestas und einen klapprigen Mercedes-Transporter, den selbst der Schrotthändler verschmäht hätte. Ein Fiesta war den Journalisten zugeteilt, der andere den Fotografen, sprich Glitzermann und mir. Unseren Fiesta durfte Frau Sommer nach Dienstschluss als Privatwagen benutzen, und es stellte sich mit nervtötender Regelmäßigkeit als ziemlich schwierig heraus, dessen aktuellen Standort zu ermitteln, denn die Praktikantin ließ das Auto meist einfach irgendwo stehen, mehr oder weniger in der Nähe der Redaktion.
    Ich suchte die Umgebung ab und entdeckte unseren Fiesta schließlich auf einem speziell für Zubringerdienste reservierten Parkplatz. Glitzermann war stinksauer, murmelte etwas von
Zwangslobotomie
vor sich hin und setzte sich hinters Steuer.
    Während wir uns mühsam einen Weg durch die Fußgänger bahnten, sagte ich: „Du wolltest mir vorhin etwas über Hubers Tricks erzählen. Ich bin ganz Ohr.“
    Glitzermann kurbelte das Fenster runter, brüllte einem Fußgänger zu, er werde ihm gleich die Eier abreißen, wenn er nicht sofort den Weg freimache, atmete tief aus und ein, lehnte sich zurück und sagte: „Wie viele Journalisten arbeiten bei uns in der Redaktion?“ Er schaute mich fragend an und übersah beinahe eine Mutter mit Kinderwagen, die gerade noch den rettenden Gehsteig erreichte.
    Ich zuckte mit den Schultern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher