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Leichenschänder

Titel: Leichenschänder
Autoren: Jürgen Benvenuti
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um endlich ihr hart verdientes Geld für Schreibtischlampen mit skandinavischen Namen, billiges Besteck und Vasen aus täuschend echt imitierter Keramik ausgeben zu dürfen.
    Schließlich öffnete sich das Eingangstor des Möbelmarktes unter ohrenbetäubendem Fanfarenlärm und der Parkplatz explodierte in einem gleißend hellen Blitzlichtgewitter. Albert Drake, Star zahlreicher Fernsehfilme und mehr oder minder erfolgreicher Kinoproduktionen, war da! Begleitet von einem Moderator, der in puncto Schmierigkeit Glitterfreddy in nichts nachstand, machte Drake ein paar unsichere Schritte in Richtung Absperrgitter und winkte träge wie ein besoffener Despot der Menge zu. Das Raunen von Stoßgebeten seiner Fans, vermischt mit dem hirnlosen Geschnatter der Journalisten, hing über dem Möbelmarkt wie der Gesang aus einer anderen Welt. Taschentücher wurden vollgerotzt und Ströme von make-up-gefärbten Tränen bahnten sich den Weg durch die Faltengebirge verblühter Frauengesichter, die sich dem Schauspieler entgegenreckten. Ein wahrhaft erhebender Moment, der geradezu danach schrie, journalistisch für die Ewigkeit festgehalten zu werden.
    So schnell der Spuk begonnen hatte, so schnell war er auch schon wieder vorüber. Der Moderator kündigte eine volksdümmliche Musikkapelle an und wünschte den Besuchern noch viel Spaß im neuen Möbelparadies. Dann rauschte er davon, zusammen mit Albert Drake, der während der ganzen Zeit den Mund nur einmal aufgemacht hatte, nämlich um zu gähnen.
    Ich hatte das Spektakel mit ungläubig aufgerissenen Augen verfolgt und dabei glatt vergessen, auch nur ein einziges Bild vom Schauspieler zu machen. Huber würde mich häuten, grillen und anschließend das, was er von mir übriggelassen hatte, seinen schwindsüchtigen Fischen zum Fraß vorwerfen. Ich musste mir etwas einfallen lassen, und zwar schnell.
    Ich schnappte mir den nächstbesten Fotografen und versuchte, ihm einen Film mit Bildern von Albert Drake abzuschwatzen. Der Fotograf wollte mir weismachen, er habe nur einen einzigen Film verknipst, und den könne er mir unmöglich überlassen. Doch ich wusste, dass kein Fotograf nur einen einzigen Film verschoss, und sei es nur wegen des Risikos, defektes Material erwischt zu haben. Da es hier um meinen Arsch ging, blieb ich hartnäckig, und schließlich erbarmte sich der Fotograf, kramte in seiner Jacke herum und bot mir einen Film zum Kauf an, dessen Bilder mit ziemlicher Sicherheit unscharf oder überbelichtet waren. Aber schlimmer als Glitzermanns Werk konnten sie nicht sein. Ich trennte mich widerstrebend von einem Fünfhunderter, ging zurück zum Fiesta und wartete auf Glitterfreddy.
    Dieser tauchte nach fünf Minuten auf, verabschiedete sich feucht von einer blondierten Tussi in engen Jeans und Cowboystiefeln und setzte sich in den Wagen.
    „Du hast einen echt kriminellen Geschmack, was Frauen anbelangt“, sagte ich und fügte hinzu: „Das gilt allerdings auch umgekehrt.“
    „Was stört dich an der Tante?“
    „Abgesehen von ihrem Aussehen nichts.“
    Glitzermann grinste mich an. „Gib’s zu, du bist nur neidisch.“
    „Sicher. Ungefähr so neidisch wie auf den Mann mit dem Loch im Kopf. Der muss nie mehr etwas trinken. Der stellt sich einfach unter die Dusche und lässt sich volllaufen.“
    „Du hast wirklich einen kranken Sinn für Humor“, sagte Glitzermann und schüttelte den Kopf.
    „Wieso, ist doch ganz praktisch. Findest du nicht?“
    Glitzermann warf mir einen verständnislosen Blick zu und schnallte sich an. Dann steckte er sich wieder seine Sonnenbrille ins Gesicht, obwohl kein einziger Sonnenstrahl den grauen Himmel erhellte, und schoss mit quietschenden Reifen auf die Straße.
    Den Rest des Vormittags verbrachte ich damit, den Albert-Drake-Film bei einem
Fotokarussell
entwickeln zu lassen, einen Big Mac mit Pommes hinunterzuwürgen und Fischl, dem Layouter, Feuer unterm Arsch zu machen, damit er mir mithilfe des Grafikcomputers ein paar Bilder zusammenbastelte, auf denen der Schauspieler zumindest einigermaßen als solcher zu erkennen war.
    Als ich im Laufe des Nachmittags bei Huber aufkreuzte, um ihm die Ausbeute unserer vereinten Anstrengungen zu präsentieren, strahlte dieser übers ganze Gesicht, nannte meine Bilder
echte Knaller
und fragte mich dann, ob ich es mir überlegt hätte, was das Artikelschreiben anbelangte.
    Da Glitzermanns Warnung, ich würde bei einer Ablehnung meinen Job verlieren, noch in meinen Ohren hallte, machte ich brav Männchen und
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