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Leichenschänder

Titel: Leichenschänder
Autoren: Jürgen Benvenuti
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nur zwei junge Frauen hier, die ihre geschminkten Gesichter zusammensteckten und über die neueste Madonna-CD diskutierten.
    Ich stand auf und betrachtete die Filmplakate, die aus der gleichen Zeit zu stammen schienen wie die verblasste Tapete im Hippiedesign, die sich mit letzter Kraft an die Wände des Vorsaals klammerte.
    Nach zehn Minuten hatte ich alle Plakate gründlich studiert und ging nach draußen, um eine zu rauchen. Ich schlug den Mantelkragen hoch, zündete mir eine Zigarette an, parkte sie im Mundwinkel und vergrub meine Hände in den Taschen. So konnte ich gleichzeitig meinen Lungenkrebs füttern und meine Finger vor Erfrierungen bewahren. Der gesundheitsbewusste Raucher denkt eben mit.
    Um viertel vor zehn wurde der Kinosaal endlich aufgesperrt. Da freie Platzwahl herrschte, drängte ich mich mittels Ellbogeneinsatz und chauvinistischer Sprüche durch die inzwischen stattliche Menschenmenge hindurch und setzte mich in die letzte, am höchsten liegende Reihe. Ich hatte keine Lust, zwei Stunden den Eierkopf eines Studentenbubis anzustarren.
    Doch ich hatte mich zu früh gefreut. Genau vor mir setzten sich drei Typen hin, die mir schon im Vorsaal durch ihr kindisches Benehmen und ihre penetranten Stimmen aufgefallen waren. Sie lachten alle paar Sekunden, stießen sich gegenseitig den Ellbogen in den Wanst und bewarfen einander mit Popcorn. Im gesamten Film gab es nicht eine einzige lustige Szene, dennoch schwirrte das Gekicher der drei Arschlöcher die ganze Zeit durch den Saal. Sie gehörten zu der Sorte Kinogeher, die glaubt, jede Kameraeinstellung und jede Dialogzeile ausführlich und in Zimmerlautstärke kommentieren zu müssen.
    Ich beugte mich vor, verpasste dem mittleren der drei Penner eine Kopfnuss und brummte ihm ins Ohr, er solle endlich seine verdammte Schnauze halten. Der Penner stand auf, drehte sich um und wollte einen markigen Spruch loswerden, doch als ihm mein offenes und herzensgutes Gesicht entgegenblickte, überlegte er es sich anders und setzte sich wortlos wieder hin. Den Rest des Films konnte ich in angenehmer und angemessener Ruhe genießen.
    Als ich mir gegen Mitternacht den Weg zum Ausgang bahnte, rempelte mich ein Typ mit kurzen blonden Haaren und schwarzen Lederklamotten an. Da er sich sofort entschuldigte, ließ ich es gut sein. Außerdem war er zehn Kilo schwerer als ich. Als ich mir draußen eine Zigarette anzündete, kam der Blonde zu mir herüber und schnorrte mich um eine Kippe an. War ich die Caritas? Aber da ich ohnehin zu viel rauchte, gab ich ihm eine.
    „Ziemliche Arschlöcher, die drei in der zweitletzten Reihe“, sagte er und nahm einen tiefen Lungenzug.
    Ich nickte. „Man sollte ein Schild an die Tür hängen:
Kein Einlass für Idioten
. Aber die Typen sind so dämlich, die würden sich gar nicht angesprochen fühlen.“
    Der Blonde nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette und sagte dann: „Verdammt kalt hier draußen. Hast du Lust, irgendwo hinzugehen, wo es wärmer ist?“
    „Warum nicht?“, sagte ich.
    Der Blonde lief vor zur Westbahnstraße und winkte ein Taxi heran. Als wir es uns in den weichen Polstern bequem gemacht hatten, fragte er mich, ob ich auch so einen tierischen Hunger hätte.
    Ich nickte. Der Chemiespinatbrocken vom frühen Abend war längst verdaut.
    „Gibt es ein Lokal in der Nähe, in dem man um diese Zeit noch etwas zu essen bekommt?“
    „Keine Ahnung, ich geh nicht oft essen“, sagte ich.
    „Das
Nil
ist nicht weit von hier“, schaltete sich der Taxler ein. „Dort gibt es auch was zu essen.“
    „Um diese Zeit?“
    Der Taxler nickte. „Ich geh da manchmal hin, wenn meine Schicht zu Ende ist, gegen zwei in der Nacht. Bis jetzt hab ich immer was Warmes bekommen.“
    „Okay, fahr los“, sagte der Blonde.
    Der Taxler legte einen Gang ein, fuhr ein paar hundert Meter und bremste auch schon wieder ab.
    Wir waren da. Der Blonde streckte seine Hand, die einen Hunderter umklammerte, zwischen den Sitzen nach vorne. Der Schein verschwand in Sekundenschnelle.
    „Macht’s gut, ihr beiden!“, sagte der Taxler mit breitem Grinsen.
    Wir stiegen aus, sahen kurz dem davonfahrenden Mercedes nach und betraten das Lokal. Die meisten Tische waren leer. Wir gingen ganz nach hinten in die Ecke, wo wir unsere Ruhe haben würden, zogen unsere Mäntel aus und hängten sie über die Stuhllehnen. Dann setzten wir uns und warteten auf den Kellner, der nach wenigen Sekunden auftauchte.
    „Gibt es noch was Warmes?“, wollte ich wissen.
    Der
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