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Inselsommer

Inselsommer

Titel: Inselsommer
Autoren: Gabriella Engelmann
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1 . Kapitel
    Sie können uns jederzeit besuchen und so lange bleiben, wie Sie wollen. Im Kapitänshaus ist immer ein Zimmer frei für Sie. Wir würden uns sehr freuen!

    Viele herzliche Grüße von der Insel!
    Bea Hansen und Larissa Wagner

    Obwohl ich diese Postkarte schon unzählige Male gelesen hatte, freute ich mich immer wieder über die Wärme und die Freundlichkeit, mit der sie geschrieben worden war.
    Und über das traumhaft schöne Motiv, das die Vorderseite zierte: ein reetgedecktes, aus Backstein erbautes Haus mit weißen Sprossenfenstern und einer blau-weißen Klönschnacktür, umrankt von roten und pinkfarbenen Rosen. Darüber ein strahlend blauer Sommerhimmel und Möwen, die am Horizont ihre Kreise zogen.
    Man konnte den Duft der Kartoffelrosen förmlich riechen und das Summen der Bienen hören, die im funkelnden Licht der Sonne von Blüte zu Blüte flogen. Ein typisches Friesenhaus, wie man es überall in Keitum findet, einem der schönsten Orte im Osten der Nordseeinsel. Und ich, Paula Gregorius, hatte eine Einladung dorthin und konnte es kaum erwarten, endlich anzukommen und Hamburg den Rücken zu kehren.
    »Moin, moin, liebe Fahrgäste, die Fahrkarten bitte!«
    Die energische Stimme des Schaffners der Nord-Ostsee-Bahn schreckte mich unsanft aus meinen Träumereien über die vor mir liegenden Wochen auf Sylt und holte mich in die Realität zurück. Benommen kramte ich in der Handtasche nach meinem Portemonnaie, in dem ich das Schleswig-Holstein-Ticket aufbewahrte. Als Nächstes erreichten wir Itzehoe und in gut zwei Stunden die Endstation in Westerland.
    Um noch ein wenig allein mit meinen Gedanken sein zu können, wollte ich zu Beginn meiner
Reise ins Ich
zunächst für zwei Tage im Hotel Stadt Hamburg wohnen. Das Hotel besaß einen traumhaft schönen Wellnessbereich, die Küche genoss einen ausgezeichneten Ruf, und der breite, weiße Sandstrand war nur fünf Minuten Fußweg entfernt.
    Larissa und ihrer Tante hatte ich hingegen gesagt, dass ich erst ab Freitagmittag ihre liebenswürdige Gastfreundschaft in Anspruch nehmen würde.
    Während ich durch das Fenster die vorbeifliegende Landschaft betrachtete, piepste mein Handy. Ich versuchte, meinen Herzschlag zu beruhigen und mich zu zwingen, die eingegangene SMS nicht sofort zu lesen, denn schließlich war ich auf dem Weg nach Sylt, um endlich einen klaren Kopf zu bekommen.
    Schluss mit dem Gefühlswirrwarr, das mich nun schon seit Wochen gefangen hielt!
    Schluss mit dem ewigen Kampf Kopf gegen Bauch!
    An sich gab es ja kaum etwas Schöneres, als mit fünfundvierzig Jahren noch einmal richtig verliebt zu sein. Doch in diesem Fall lagen die Dinge bedauerlicherweise nicht ganz so einfach wie früher. Seufzend knüllte ich meinen hellgrauen Schal als Kissenersatz zusammen und presste ihn gegen die Fensterscheibe. Dann lehnte ich mein Gesicht dagegen und schloss die Augen.
    Die Gewissheit, mit jedem Kilometer Zugfahrt mehr Abstand zu meinem bisherigen Leben zu gewinnen, hätte meine Nerven beruhigen müssen, doch stattdessen dachte ich wehmütig an jenen alles entscheidenden Abend zurück, an dem ich Vincent Rogner in mein Herz und damit in mein Leben gelassen hatte.

    »Bereit, dem Irrsinn die Stirn zu bieten, Paula?«, hatte meine Mitarbeiterin Jule gefragt und mir schmunzelnd ein Glas eisgekühlten Champagner in die Hand gedrückt. Dann hatten wir beide die Galerie ein letztes Mal inspiziert und die Hängung jedes einzelnen Bildes überprüft.
    Dieser Abend sollte perfekt werden!
    Seit Monaten hatten Jule, Vincent und ich darauf hingearbeitet, Hamburgs Kunstliebhabern und der Presse bislang unbekannte, vielversprechende Talente aus Norddeutschland zu präsentieren.
    »Ich prophezeie Nele Sievers eine große Zukunft«, sagte Jule, bevor sie in die Küche ging, um einen letzten, prüfenden Blick auf das Catering zu werfen. Den ganzen Tag war es in der Galerie zugegangen wie in einem Irrenhaus, doch nun herrschte endlich die
Ruhe vor dem Sturm,
wie ich den Moment vor einer Vernissage nannte, den ich zugleich liebte und fürchtete.
    Doch es würde alles gutgehen!
    Die Bilder der Bremer Malerin erinnerten in ihrer Farbintensität und Strahlkraft an die Arbeiten der mexikanischen Malerin Frida Kahlo, ohne jedoch so düster zu sein. Nele war zweifelsohne talentiert.
    Bislang hatte die Künstlerin erfolgreich als Kinderbuchillustratorin gearbeitet, doch nun wollte sie neue Wege gehen. Ich war von der ersten Sekunde an begeistert gewesen, als sie zu ArtFuture
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