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Leichenschänder

Titel: Leichenschänder
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Kellner zog seine Stirn in Falten, raschelte mit seinem Bestellblöckchen herum und murmelte ein Wort, das so ähnlich wie
Steak
klang.
    Der Blonde und ich schauten einander kurz an, dann nickten wir und bestellten zweimal
Steak obscure
mit Kartoffeln und Salat und dazu Bier.
    Ich fragte den Blonden: „Wie heißt du eigentlich?“
    „Stefan.“
    Nicht gerade ein Name der Robert-Redford-Kategorie, aber immerhin besser als Laurenz.
    Ich stellte mich als Enzo vor und warnte ihn, mich Laurenz zu nennen, wenn er es sich mit mir nicht verscherzen wollte.
    Stefan schaute mich belustigt an und fragte: „Die Idee deiner Mutter?“
    „Du sagst es.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Aber zur Namensänderung fehlte mir immer die Energie. Außerdem lässt es sich mit Enzo ganz gut leben.“
    Nach einer Weile brachte der Kellner das Essen. Gierig machten wir uns über das Fleisch her, das aussah, als hätte man es drei Sekunden zwischen zwei brennende Glühbirnen gehalten. Ich wartete nur darauf, dass es anfing zu muhen. Es schmeckte ausgezeichnet.
    Als ich den letzten Bissen mit einem Schluck Bier hinuntergespült hatte, lehnte ich mich zurück und machte den Gürtel zwei Löcher weiter.
    Die Tür ging auf und wehte neben einem eisigen Luftzug auch eine Gruppe Asiaten ins Lokal. Ich sondierte die Lage und entdeckte zwei knackig aussehende Ladys, die ohne männliche Begleitung zu sein schienen. Ich warf Stefan einen konspirativen Blick zu, erntete jedoch nur einen Rauchkringel, der zielsicher auf meine Nase zuschwebte.
    „Was ist, willst du nicht auch dein Glück versuchen?“, fragte ich und trat ihn gegen das Schienbein.
    Stefan zuckte zusammen, verschluckte sich am Rauch, hustete ausgiebig und schüttelte den Kopf.
    Dann nicht, dachte ich. Mehr Auswahl für mich.
    Ich stand auf, strich mir die Haare aus dem Gesicht, zupfte kurz an meinen Klamotten herum und schlenderte zu den beiden Asiatinnen hinüber, die einsam an der Bar standen. Ich lehnte mich an die Theke, deren vernarbtes Holz unzählige Geschichten hätte erzählen können, wenn diese Geschichten nicht allesamt so langweilig gewesen wären, dass niemand sie hören wollte, und zündete mir eine Zigarette an.
    Da ich die beiden Ladys ungeniert anstarrte, dauerte es nicht lange, bis sie mich bemerkten. Die Linke drehte sich um, grinste mich an und sagte dann etwas Unverständliches zu ihrer Freundin. Ich wollte gerade einen meiner berühmten Anbaggersprüche von der Leine lassen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Ich drehte mich mit breitem Lächeln um, das mir alsbald gefror. Vor mir stand nicht, wie erwartet, Stefan, der es sich anders überlegt hatte, sondern ein ungefähr ein Meter fünfzig großer Asiate mit einer Kochmütze auf dem Schädel und einem Hackmesser in der Hand. Er sah aus wie eine Zeichentrickfigur.
    Er riss seinen verkniffenen Mund auf und bedachte mich mit einem unverständlichen Wortschwall, der nicht gerade freundlich klang. Ich zuckte mit den Schultern, um ihm zu verstehen zu geben, dass ich nichts verstanden hatte, als sich eine der Ladys über meine Schulter beugte und mir ins Ohr raunte: „Er hat gesagt, du sollst uns in Ruhe lassen, sonst bricht er dir alle Knochen.“
    Ich drehte mich um und sagte: „Was geht ihn das an, wenn ich euch kennen lernen will?“
    „Er ist unser Vater, und außerdem kann er Karate. Ich würde seine Warnung ernst nehmen.“
    Wurde hier gerade eine Folge für die „Versteckte Kamera“ gedreht? Ich hing immer noch diesem Gedanken nach, als ich einen höllischen Schmerz in meinem Knie spürte. Ich konnte mich mit Mühe an der Theke festhalten und schaffte es, nicht ohnmächtig zu werden.
    Ich hob den Kopf und nahm eine rasche Bewegung wahr. Der Karate-Champ schlug ein zweites Mal zu. Diesmal traf er meinen Magen. Ich würgte und kotzte mein kaum verdautes Steak auf die Schuhe von Bruce Lee sen. Dieser machte einen Satz nach hinten und fing wieder mit seiner Schimpfkanonade an.
    Langsam hatte ich die Schnauze voll. Ich richtete mich auf und donnerte dem Koch meine Faust ins Gesicht. Sein Redefluss versiegte so schnell wie Wasser nach einem Rohrbruch in der Wüste. Den Grund sah ich zwei Sekunden später: Sein Gebiss hing an einem Hirschgeweih, das sich über dem Barspiegel befand. Ehe ich lauthals loslachen konnte, packte mich eine Hand an der Schulter und zerrte mich nach draußen.
    Auf der Straße reichte mir Stefan meinen Mantel, schüttelte den Kopf und sagte: „Was ist denn in dich gefahren?
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