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Lockruf des Blutes

Lockruf des Blutes

Titel: Lockruf des Blutes
Autoren: Jeanne C. Stein
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Kapitel 1
    MONTAG
    D er Kerl windet sich an mir wie ein Wurm am Angelhaken. Er ist Anfang zwanzig und gebaut wie ein Footballspieler – mächtige Muskeln, kräftiger Bauch, kein Hals. Er stöhnt die ganze Zeit, drückt sich an meine Brust, und ich muss seinen Kopf festhalten, um richtig trinken zu können. Culebra sagt, der Kerl sei schon mal hier gewesen, aber er zappelt so herum, dass ich Angst habe, ich tue ihm weh.
    Ich schlucke einen Mundvoll Blut, öffne die Augen und blicke zu Culebra auf. Ich brauche mehr, aber ich bin unsicher, ob ich wirklich weitertrinken darf.
    Culebra hat die Arme vor der Brust verschränkt. Er achtet gar nicht auf mich. Ja, er sieht ziemlich gelangweilt aus, und als er meinen Blick spürt, zuckt er nur mit den Schultern und sagt: »Was?«
    Ich sende ihm meine Gedanken. Soll ich aufhören?
    Er antwortet auf die gleiche Weise. Hast du denn genug?
    Nein. Aber er bewegt sich ständig.
    Wieder dieses rollende Schulterzucken. Er ist gut dafür bezahlt worden. Er ist aus freiem Willen hier. Er ist keine Jungfrau, weißt du? Er hat das schon oft gemacht. Und er bewegt sich, weil er es angenehm findet. Schau mal auf seine Hände.
    Das tue ich. Sie liegen in seinem Schoß und reiben über eine Wölbung in seiner Jeans.
    O Gott. Ist er da etwa am …?
    Die Falten in Culebras Gesicht graben sich tiefer ein, als er grinst. Du könntest es sogar noch schöner für ihn machen, weißt du? Du bräuchtest nur …
    Hastig schlucke ich zwei, drei weitere Mundvoll Blut hinunter. Ich weiß, was er sagen will. Aber alles, was ich will, ist das Blut. Nur das, was ich brauche, um mich zu erfrischen und zu stärken. Ich habe gelernt, das andere Gefühl zu ignorieren, diese Erregung, die sich zu einer mächtigen sexuellen Gier steigern kann, wenn man sie lässt. Als ich fertig bin und mich zurückziehe, stöhnt der Junge sogar noch lauter und streckt die Hand aus, um meinen Kopf wieder an seinen Hals zu ziehen. Ich springe auf und bin so plötzlich verschwunden, dass der Junge das Gleichgewicht verliert und mit dem Kopf auf den Boden knallt.
    Culebra lacht. Ich höre es und spüre es gleichzeitig in meinem Kopf.
    Ich strecke die Hand aus und helfe dem Jungen, sich aufzusetzen. »Alles in Ordnung?«
    Seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, doch sein Blick ist verschleiert. Er macht keine Anstalten aufzustehen. »Du hättest noch nicht aufzuhören brauchen.« Das klingt wie eine Mischung aus Knurren und Winseln. Eine Hand liegt immer noch zwischen seinen Beinen, mit der anderen greift er sich an den Hals, obwohl dort nicht die geringste Spur verrät, dass ich gerade getrunken habe.
    Dafür sorge ich immer sehr gewissenhaft.
    Ich werfe Culebra mit hochgezogenen Brauen einen Blick zu. Nächstes Mal will ich jemanden, der es nur des Geldes wegen tut.
    Wieder ein Schulterzucken mit gehobenen Handflächen. Wie du willst.
    Ich folge Culebra aus dem Hinterzimmer in den Saloon und überlasse meinen lüsternen Blutspender sich selbst. Es ist September, später Nachmittag, und heller Sonnenschein fällt durch die halbhohen Schwingtüren herein. In den Lichtstrahlen tanzen und wirbeln Staubflocken, bewegt von einem unsichtbaren Luftzug. Der Saloon ist fast leer. Zwei Menschen, Freunde des Jungen im Hinterzimmer, warten bei einem Drink an der Bar auf ihn. Ein Vampirpärchen sitzt an einem Tisch an der Rückwand, so dicht zusammen, dass sich ihre Knie berühren. Ihre Gedanken glühen vor Begehren. Sobald ich sie aufschnappe, mache ich dicht. Vampirische Telepathie ist nicht immer angenehm. Die sexuelle Energie, die diese beiden ausstrahlen, macht mich nervös, vor allem, da ich gerade erst getrunken habe. Wir gehen zur Bar, wo der Barkeeper Culebra recht unterwürfig begrüßt. Der Barkeeper ist ein Mensch, auch einer von der Sorte, die die Nähe übernatürlicher Wesen aufregend finden. Er fragt, was wir trinken möchten.
    Culebra winkt ab, greift in den Kühlschrank unter der Bar und holt zwei Flaschen Bier heraus. Der Saloon gehört Culebra. Genau genommen gehört ihm der ganze Ort. Der Barkeeper verzieht sich stumm.
    Culebra öffnet die Flaschen und reicht mir ein Bier.
    Ich nehme einen tiefen Zug. Das Bier schmeckt köstlich und spült den salzigen Nachgeschmack des Blutes fort; es ist erfrischend, so befriedigend wie ein eiskalter Drink, nachdem man gesalzene Erdnüsse oder etwas scharf Gewürztes gegessen hat. Flüssigkeiten sind die einzige Form menschlicher Nahrung, die mir noch geblieben ist.
    Culebra
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