Leichenschänder

sich die Angst in Panik verwandelt, wahrscheinlich genährt von der Befürchtung, dass der abservierte Stefan sich aus Rache an die Medien wenden würde. Deshalb beauftragte Steinkopf seinen alten Bekannten Bodo Mikanuda, Stefan umzubringen und den Mord wie eine Tat der fanatischen Vegetarier aussehen zu lassen.
    Das mochte zwar keine Cinemascope-Story sein, aber immerhin war es eine ziemlich solide Geschichte und nicht bloß ein räudiger Beitrag fürs Privatfernsehen. War der Brief ein ausreichender Beweis, um Steinkopf festzunageln? Ich hatte keine Ahnung. Aber zumindest hatte ich meine Antworten gefunden.
    Ich steckte den Brief in meine Manteltasche, schloss die Wohnungstür hinter mir ab und ging hinunter auf die Straße. Schneeflocken tanzten im trüben Nachmittagslicht. Als ich mir erschöpft übers Kinn fuhr, knisterten meine Bartstoppeln in der eisigen Stille.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. Noch etwas mehr als eine Stunde bis zu meinem Interviewtermin.
    Ich marschierte durch die Kälte zum
Westend
, stellte mich an die Bar, orderte einen doppelten Whiskey, bezahlte ihn sofort und trank ihn auf ex. Ein Zeitungskolporteur ging durchs Café und schwenkte eine Extraausgabe von
Voll Dran!
. Ich drückte ihm einen Fünfer in die Hand, nahm mir eine Zeitung und warf einen Blick auf die Titelseite. „STEINKOPF-TOCHTER TOT“ hieß es da in riesigen Lettern im unverblümten Huber-Stil.
    Ich warf die Zeitung auf die Theke, verließ das
Westend
, holte den Brief aus der Manteltasche, zerriss ihn und warf die Fetzen in einen Mistkübel. Dann winkte ich ein Taxi heran, ließ mich zur Justizanstalt Josefstadt bringen, interviewte Eugen Heißenbüttel, fuhr zurück in die Redaktion, schrieb meinen Artikel und machte mich anschließend auf den Heimweg. Unterwegs kaufte ich auf dem Markt noch ein paar Lebensmittel ein.
    Am Abend kochte ich ein Gulasch nach Ernas Spezialrezept. Es schmeckte furchtbar.

Über den Autor
    Geboren 1972 in Bregenz, Vorarlberg. War Sänger in einer Hardcore-Band, Zettelverteiler und Fremdenführer. Hat elf Romane geschrieben sowie zahlreiche Rezensionen und Artikel in diversen Zeitungen, Zeitschriften und Online-Magazinen veröffentlicht. Wagt ab und zu einen Abstecher ins Filmgeschäft. Lebte unter anderem in Berlin und Barcelona. Wohnt in Wien.

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