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Leichenschänder

Titel: Leichenschänder
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Sie das Gegenteil. Und der Rest ist nichts als eine zusammenfantasierte Räuberpistole.“ Sein Lächeln erlosch, als er sich über den Schreibtisch beugte. „Und eines sei Ihnen gesagt: Wenn Sie in Ihrem Schmierblatt auch nur die geringste Andeutung drucken, ich hätte mit diesen Tiermorden, mit dem Mord an diesem Stefan Andergast oder mit illegaler Organbeschaffung zu tun, dann mach ich Sie fertig. Und ich fange damit an, dass ich Sie wegen des Einbruchs in Bodo Mikanudas Wohnung anzeige. War das deutlich?“
    Ich nickte schweigend. Verdammt, der alte Sack hatte mir ordentlich Paroli geboten. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich kämpfte mich mühsam vom Stuhl hoch.
    „Eines noch …“
    „Ja?“, sagte ich.
    Steinkopf reicht mir den zusammengefalteten Zettel.
    „Was ist das?“
    „Die Nummer des Herzspezialisten, der sich um meine Tochter kümmert. Wenn Ihre Theorie stimmt, müsste meine Tochter jetzt dort sein, wo Ihrer Meinung nach Stefan Andergasts Herz ist, richtig? Also irgendwo im ehemaligen Ostblock. Sollte sich meine Tochter aber noch im Spital in Wien befinden, dann ist Ihre Theorie wohl widerlegt, oder?“
    Ich nickte widerwillig und steckte den Zettel ein. Sollte Steinkopfs Tochter wirklich noch in einem Wiener Spital liegen, woran ich inzwischen kaum noch zweifelte, dann musste ich dem alten Sack recht geben: Ich hatte weniger in der Hand als ein Eunuch beim Masturbieren.
    „Nur zu, rufen Sie den Arzt an“, sagte Steinkopf und erhob sich hinter seinem Schreibtisch. Sein Lächeln war wie eine teure Rasierklinge: oft benutzt und immer noch scharf. „Aber nicht von meinem Telefon.“ Er deutete über meine Schulter nach hinten. „Zur Tür geht es dort entlang.“
    Ich dackelte mit eingezogenem Schwanz von dannen.
    Unten auf der Straße suchte ich eine Telefonzelle, wählte die Nummer des Herzspezialisten, stellte mich vor und fragte ihn nach Agnes Steinkopf. Zuerst wollte er mir keine Auskunft erteilen, doch als ich ihm erklärte, dass mein Vorgehen mit ihrem Vater abgesprochen war, erzählte er mir, dass es Agnes Steinkopf sehr schlecht gehe, dass sie sich nach wie vor hier in Wien in Behandlung befinde und dass es keinerlei Bestrebungen gebe, sie in ein anderes Spital zu verlegen.
    Ich unterdrückte einen Fluch und legte auf. Steinkopf hatte die Wahrheit gesagt. Und das bedeutete, ich hatte mich geirrt. Meine farbenprächtige Cinemascope-Story vom durchtriebenen Politiker, der einen irren Killer anheuert, um das Leben seiner Tochter zu retten, hatte sich in einen zusammengestümperten TV-Beitrag auf Niveau dieser neuen Privatfernsehsender verwandelt. Ein Haufen Konjunktive, kommentiert mit einem verschwörerischen Raunen, aber vollkommen ohne Substanz.
    Ich war mir nach wie vor ziemlich sicher, dass Mikanuda der Mörder von Stefan war. Sein Motiv? Keine Ahnung. Mikanuda war ein Irrer. So jemand brauchte kein für Normalsterbliche nachvollziehbares Motiv. Und selbst wenn er tatsächlich aus Gründen, die mir nicht klar waren, Stefan im Auftrag von Steinkopf getötet hatte, so konnte ich das nicht beweisen.
    Anstatt einen Mord aufzuklären und vielleicht sogar eine Verschwörung aufzudecken, hatte ich es bloß geschafft, mich zum Fifi zu machen. Ich hatte ein in der Luft schwebendes Fantasiegespinst, das sich niemals würde am Boden verankern lassen, mit einer soliden Geschichte verwechselt. Kurz: Ich war zu einem waschechten Boulevardjournalisten mutiert.
    Auf dem Weg in die Redaktion machte ich in einer kühl dekorierten Yuppiebar halt und kippte einen doppelten Whiskey, der mir einen Tritt in den Magen versetzte. Ich war müde, erschöpft, ausgelaugt. Schlapp wie der Pimmel eines Pornostars nach einer harten Woche.
    Kurz spielte ich mit dem Gedanken, mich gleich hier und jetzt, am späten Vormittag, niederzusaufen, beherrschte mich dann aber und winkte dem Kellner, um zu zahlen.
    Gemächlich schlenderte der Kellner herbei und kratzte seinen Dreitagesbart, der ausschaute, als hätte er drei Monate gebraucht, um zu wachsen. Er legte eine säuberlich ausgedruckte Rechnung vor mir auf den Tisch und lachte frech, als er sah, wie ich angesichts des unverschämt hohen Betrages zusammenzuckte.
    „Ich wollte nur ein Glas bezahlen“, sagte ich, „nicht die ganze Flasche.“
    „Das ist die Rechnung für das Glas“, sagte der Kellner, musterte meinen unmodischen Mantel, meinen unmodischen Haarschnitt und mein unmodisches Gesicht.
    „Ist irgendwas lustig?“, fragte ich.
    Der Kellner schwieg, aber
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