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Todesstunde

Todesstunde

Titel: Todesstunde
Autoren: James Patterson
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1
    Ebenso wie die Luxuswohnungen und Fünf-Sterne-Restaurants im Seidenstrumpf-Distrikt von Manhattan war das Benchley East Side Parking unverschämt exklusiv. Seite an Seite und Stoßstange an Stoßstange in dem vier Stockwerke unter die East 77th Street reichenden klimatisierten Parkhaus drängten sich hier Porsche-Oldtimer, eine Handvoll Ferraris und sogar ein paar Lamborghinis für sie und ihn.
    Das mitternachtsblaue Mercedes-SL550-Cabrio von der Stange, das um drei Minuten nach zwölf quietschend den Fahrstuhl verließ, schien für dieses hochpreisige Viertel wie geschaffen.
    Dies galt auch für den etwas über vierzigjährigen Mann, der neben dem Büro des Parkhauses auf seinen Mercedes wartete. Seine Erscheinung – graumelierter Beckham-Haarschnitt, sonnengebräunte Haut, dunkelblaues Seidenpolohemd und gebügelte Khakihose – ließ auf einen dicken Geldbeutel schließen. Und sie gab Anlass zu der Frage, ob der Wagen oder sein Fahrer mit dem Wunschkennzeichen des schnurrenden Mercedes gemeint war:
     
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    »Ich dachte, bei der Hitze möchten Sie lieber wie üblich mit offenem Verdeck fahren, Mr. Berger«, sagte lächelnd der Mitarbeiter, halb Latino und halb Asiate, während er munter aus dem Auto sprang und die mit Holz verschalte Tür aufhielt. »Einen schönen Tag.«
    »Danke, Tommy.« Berger steckte ihm flink einen Fünfer zu und rutschte hinter das für diesen Luxusschlitten typische dreistrebige Lenkrad. »Ich werde es versuchen.«
    Mit knurrendem Motor fuhr Berger die East 77th Street entlang und bog auf die Fifth Avenue ab. Die weiche Lehne aus Leder drückte sich gegen seinen Rücken, der frische, fast süße Geruch der Sumpfeichen und Blumenhartriegel aus dem Central Park mischte sich harmonisch mit dem Geruch des handgenähten Leders. An der 59th Street wichen die Baumwipfel der märchenhaft geschmückten Fassade des Plaza-Hotels. Kurz darauf huschten beiderseits des schicken Boulevards glänzende Schilder vorbei, als würde das Vanity Fair Magazine zum Leben erweckt: Tiffany, Chanel, Zegna, Pucci, Fendi, Louis Vuitton. Vor den Geschäften schossen die Wochenend-Sommertouristen Bilder und begafften die Auslagen, als hätten sie immer noch nicht begriffen, dass sie mitten im Zentrum der Hauptstadt des Kapitalismus standen.
    Doch die teuerste Straße der Welt hätte für Berger genauso gut ein Feldweg mitten durch die Pampa sein können. Hinter seiner verspiegelten Sonnenbrille hielt er den Blick seiner grauen Augen stur geradeaus gerichtet und ließ sich von nichts ablenken.
    Schließlich zählten Zielstrebigkeit und Konzentrationsfähigkeit zu seinen wahren Talenten. Gesiegt hatte er immer, wenn er alles aus seinem Kopf verbannte, was sich nicht auf das aktuelle Vorhaben bezog.
    Dennoch raste sein Puls, als er sein Ziel erreichte, das Hauptgebäude der New Yorker Bibliothek auf der Fifth Avenue zwischen der 41st und 42nd Street. Adrenalin durchströmte ihn, und sein Herz begann fast schmerzhaft im Takt des Blinkers zu schlagen.
    Selbst Lawrence Olivier hatte Lampenfieber, rief er sich in Erinnerung, als er vorsichtig auf die East 43rd Street abbog. Jack Dempsey. Elvis Presley. Alle Menschen spürten Angst. Die entscheidende Fähigkeit eines großen und bedeutenden Menschen wie ihm lag darin, damit umzugehen und auch noch zu handeln, wenn ihm bereits der Angstschweiß auf der Stirn stand.
    Als er einen halben Straßenblock weiter östlich vor dem Eiswagen parkte, ging es ihm bereits besser. Um sich vollständig zu erden, beobachtete er, wie sich das Cabriodach in technischer Perfektion und vollkommener Symmetrie über seinem Kopf senkte. Als es einrastete, war seine Angst noch immer nicht verschwunden, doch er wusste, dass er mit ihr umgehen konnte.
    Beweg dich, Mr. Berger, dachte er. Jetzt oder nie.
    Er nahm die schwere Laptop-Tasche aus dem Fußraum vor dem Beifahrersitz und öffnete die Tür.
    Jetzt ging’s los.

2
    Als Berger hinter dem Beaux-Arts-Torbogen der Bibliothek durch die Drehtür trat, bemerkte er sogleich, dass der Expolizist mit dem stählernen Blick, der ansonsten in der Eingangshalle arbeitete, offenbar freihatte. Prima. Stattdessen winkte ihn eine Aushilfe durch, ein gelangweilt aussehender Vorstädter in schlecht sitzendem Blazer, noch bevor er die Gelegenheit hatte, einen Finger an den Reißverschluss seiner Tasche zu führen.
    Der Rose-Lesesaal im zweiten Stock, in dem es mucksmäuschenstill war, hatte ungefähr die Größe eines Fußballfeldes. Er wurde von drei
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