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Todesstunde

Todesstunde

Titel: Todesstunde
Autoren: James Patterson
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rotem Gesicht und den Tränen nahe ganz unten im Gewühl.
    »Willst du noch eine, du Miststück? Los, komm und hol sie dir!«, rief einer der Jungs, der meinen Sohn getreten hatte, und ging auf ihn zu. Eddie, unsere familieneigene Leseratte, war zehn. Der große, pummelige Junge mit der schief sitzenden Mets-Kappe sah mindestens wie vierzehn aus.
    »Halt dich zurück!«, rief ich dem Spinner mit viel Polizist in der Stimme zu. Und noch mehr in meinem Blick.
    Eddie, dessen Tränen versiegt waren und der nur noch Wut ausstrahlte, wischte sich mit dem Daumen Blut von der Nase.
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Der Wichser hat zu Trent was Böses gesagt, Dad.«
    »Was?«
    »Irischer Neger.«
    Ich drehte mich zu dem großen Jungen mit seinem noch größeren Mundwerk um. Trent war sogar noch jünger als Eddie, ein unschuldiges, siebenjähriges Kind, das zufällig schwarz war. Ich spürte den Drang, diesem fetten Trampel die Kappe vom Kopf zu schlagen. Doch mir kam eine andere Idee.
    »In diesem Fall darfst du ihm in den Arsch treten«, sagte ich mit Blick auf den Delinquenten.
    »Ist mir eine Freude«, frohlockte Eddie, der versuchte, sich aus meinem Griff zu lösen.
    »Nein, nicht du, Eddie. Das ist Brians Aufgabe.«
    Brian, eins vierundachtzig und Spieler in der Football-Mannschaft seiner Schule, trat lächelnd vor.
    Erst in allerletzter Sekunde legte ich meine Hand auf seine Brust. Mit Gewalt löste man keine Probleme. Zumindest nicht, wenn Zeugen anwesend waren. Zwanzig oder dreißig loyale Gemeindemitglieder waren stehen geblieben, um das Geschehen zu beobachten.
    »Wie heißt du?«, fragte ich den Jungen, während ich mich direkt vor ihn stellte.
    »Flaherty«, antwortete er mit dümmlichem Grinsen.
    »Das ist Gälisch für Trottel«, keifte Juliana neben mir.
    »Wo ist dein Problem, Flaherty?«, wollte ich wissen.
    »Wer hat hier ein Problem?«, fragte Flaherty zurück. »Ihr vielleicht. Vielleicht ist der Point nicht euer Fall. Vielleicht solltest du mit deiner Regenbogenfamilie aus den Hamptons verschwinden. Du weißt schon, du Schwuchtel, diese Horde da.«
    Ich holte tief Luft und ließ sie sehr langsam wieder ausströmen. Dieser Junge ging mir auf die Nerven. Auch wenn er noch ein Kind war, musste sich meine irgendwie gereinigte Seele tapfer bemühen, meine Wut in Zaum zu halten und keine Sünde zu begehen.
    »Ich werde es dir nur dieses eine Mal sagen, Flaherty. Halte dich von meinen Kindern fern, sonst verschaffe ich dir eine kostenlose Fahrt in meinem Polizeiwagen.«
    »Wow, du bist Polizist. Jetzt hab ich aber Angst«, erwiderte Flaherty. »Das hier ist der Point. Ich kenne hier mehr Polizisten als du, Alter.«
    Ich trat noch einen Schritt auf ihn zu. So nah, dass ich ihm einen Stoß mit dem Kopf hätte verpassen können. »Arbeiten davon auch welche im Spofford?«, flüsterte ich in sein Ohr.
    Spofford war das berüchtigte Jugendgefängnis von New York. An seinem Schlucken merkte ich, dass er es endlich kapiert hatte.
    »Egal«, sagte Flahertey jedoch nur und ging fort.
    Warum ich?, dachte ich, als ich mich von den verblüfften Kirchenbesuchern entfernte. So einen Mist bekam man in diesen Fernsehshows nie zu sehen. Und was, zum Teufel, meinte er mit »Alter«?
    »Eddie?«, sagte ich, als ich meine Bande zurück auf die heiße, sandige Straße ins Gelobte Land unseres Sommerhauses führte.
    »Ja, Dad?«
    »Halte dich von diesem Jungen fern.«
    »Brian?«, sagte ich ein paar Sekunden später.
    »Ja, Paps?«
    »Behalte diesen Jungen im Auge.«

3
    Eine Stunde später stand ich auf der Veranda meines geerbten Hauses und bearbeitete gekonnt den geerbten Grill mit allem Drum und Dran. Brötchen auf dem Warmhaltegitter, Käsescheiben, die darauf warteten, auf die brutzelnden Hamburger aus frischem Hackfleisch gelegt zu werden. Blauer Rauch in meinem Gesicht, eine eiskalte Flasche Bier in meiner Hand. Wir waren so nah am Wasser, dass ich hörte, wie die Wellen rhythmisch über den harten Sand rollten und krachten.
    Wenn ich mich auf das wacklige Geländer lehnte und nach links drehte, sah ich es sogar, das Meer, das nur zwei Straßenblocks Richtung Osten entfernt war. Rechts, auf der anderen Seite der Jamaica Bay, begann die Sonne ihren langen Abstieg zur Silhouette von Manhattan, wo ich arbeitete. In diese Richtung hatte ich bereits eine Woche nicht blicken müssen und betete, dass dies bis zum ersten August so bleiben würde.
    Darüber gab es keinen Zweifel: Meine Welt war toll – vielleicht galt dies nicht
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