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Für immer untot

Für immer untot

Titel: Für immer untot
Autoren: Karen Chance
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Eins
    Ein Schuss ließ einen weinenden Engel zu grauem Staub zerplatzen, und seine Flügel flogen in unterschiedliche Richtungen davon. Ich brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, dass ich nicht tot war, woraufhin ich in die Deckung eines nahen Obelisken sprang. Flach auf dem Boden blieb ich liegen, mit den ohnehin bereits nassen Sachen im Schlamm, während weitere Schüsse knallten und Funken von Granit über mir sprühten. Ich begann zu ahnen, dass diese Tomb-Raider-Sache nicht so viel Spaß bedeutete, wie ich gehofft hatte.
    Natürlich war das seit einiger Zeit typisch für mein Leben. Eine Kette von Ereignissen, die man durchaus Katastrophen nennen könnte, hatte mich zur Pythia gemacht, der Chefseherin der übernatürlichen Welt. Der Silberne Kreis, eine Gruppe von Anwendern heller Magie, hatte erwartet, dass einer seiner zahmen Akolythen dieses Amt übernahm, so wie es seit einigen tausend Jahren immer wieder geschehen war. Jene Leute waren alles andere als begeistert gewesen, als die Macht stattdessen auf mich überging: Cassie Palmer, ungeschulte Hellseherin, Protegé eines Vampirs und Gangsterbosses und Helferin eines abtrünnigen Kriegsmagiers.
    Manche Leute hatten keinen Sinn für Ironie.
    Die Magier brachten ihren Unmut mit dem Bemühen zum Ausdruck, mir zu zeigen, was uns nach dem Tod erwartet. Da ich nicht besonders wild darauf war, die Rätsel des Jenseits kennenzulernen, hatte ich versucht, unter ihrem Radar zu bleiben. Was mir allerdings nicht besonders gut zu gelingen schien.
    Ich wollte mich in die bessere Deckung einer Krypta zurückziehen und hatte sie fast erreicht, als etwas, das sich wie ein Vorschlaghammer anfühlte, mich zu Boden stieß. Ein Blitz traf einen nahen Baum, schickte ein Prickeln von Elektrizität durch die Luft und ließ blauweiße Schlangen zischend über einige aus dem Boden ragende Wurzeln kriechen. Der Baum blieb gespalten zurück, in der Mitte wie altes Feuerholz geschwärzt. Die Luft war plötzlich voller Ozon, und in meinem Kopf hämmerte es von dem Beinahetreffer. Über mir grollte Donner unheilverkündend am dunklen Himmel, ein angemessener Soundeffekt, den ich im Kino sehr zu schätzen gewusst hätte.
    Apropos Ironie: Es wäre wirklich amüsant gewesen, wenn Mutter Natur mich umgebracht hätte, bevor der Kreis Gelegenheit dazu bekam. Vorübergehend nachtblind und hilflos kroch ich in Richtung Krypta und blinzelte Nachbilder fort. Wenigstens wusste ich jetzt, warum Pistolengriffe immer geriffelt waren: damit man die verdammten Dinger auch dann in der Hand halten konnte, wenn man vor Angst schweißnasse Hände hatte.
    Die neue 9mm passte nicht so gut in meine Hand wie die alte, aber sie wurde schnell zu einem vertrauten Gewicht. Zuerst hatte ich gedacht: Mädchen, es ist okay für dich, bewaffnet zu sein, wenn du nur auf übernatürliche böse Buben schießt, die bereits auf dich ballern. Später hatte ich diese Definition auf jede Situation ausgeweitet, die mein Leben bedrohte. Derzeit neigte ich zu einer großzügigeren Auslegung irgendwo zwischen offensiver Selbstverteidigung und Die-Mistkerle-wollten-es-nicht-anders. Ich hatte vor, es dem negativen Einfluss meines irren Partners zuzuschreiben, falls ich lange genug überlebte.
    Ich fand die Krypta, indem ich mit dem Gesicht voran gegen sie stieß – meine Wange schabte über rauen Kalkstein. Ich spitzte die Ohren, doch nichts deutete auf meine Verfolger hin. Ein Geschosshagel traf einen nahen Weg, und die Kugeln prallten von den Pflastersteinen ab, flogen in alle Richtungen. Na schön, es gab keine Anzeichen von Verfolgern, abgesehen davon, dass jemand auf mich schoss.
    Ich drückte mich an die Mauer und forderte mich selbst auf, ruhig zu bleiben und keine Munition zu vergeuden. Ich hatte bereits einen Putto mit einem Kopfschuss erledigt, als der Wind einige Blätter über ihn geweht und dadurch den Eindruck von Bewegung erweckt hatte – und das im hellen Mondschein. Jetzt war es schlimmer: Dunkle Wolken hatten sich vor den Mond geschoben, und das Prasseln des Regens machte es unmöglich, leise Schritte zu hören.
    Das Geballere hörte schließlich auf, aber ich bebte auch weiterhin am ganzen Leib und ließ das Reservemagazin fallen, das ich gerade aus der Tasche gezogen hatte. Im alten steckten noch ein paar Patronen, aber ich wollte vermeiden, dass es bei mir in einem brenzligen Moment nur noch »Klick« machte. Ein weiterer Schuss traf den von mir geköpften Putto und rasierte ihm eine seiner hübschen kleinen
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