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Todesstunde

Todesstunde

Titel: Todesstunde
Autoren: James Patterson
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winkte.
    Ich holte tief Luft. »Nein, aber bringen wir es trotzdem hinter uns.«
    In der monströsen marmornen Eingangshalle marschierten wir an einem halben Dutzend noch nervöser dreinblickender Polizisten vorbei zur Treppe. Im pompös getäfelten Rundbau des zweiten Stocks halfen sich weitere Bombenspezialisten gegenseitig aus ihren grünen Kevlar-Sprengstoffanzügen. Einer von ihnen räumte einen drahtlosen Roboter auf vier Rädern mitsamt der Röntgenausrüstung fort.
    »Äh, brauchen wir das Zeug nicht?«, erkundigte ich mich.
    Cell schüttelte den Kopf. »Die Bombe ist bereits deaktiviert. Was heißt, dass wir das gar nicht mehr zu tun brauchten. Sie sollte nicht hochgehen. Hier, ich zeig’s dir.«
    Widerwillig folgte ich ihm in den höhlenartigen Lesesaal, der groß wie ein Fußballfeld und mit seinen Bogenfenstern, Kronleuchtern und Wänden voller alter Bücher noch beeindruckender als die Eingangshalle war. Über dem letzten Tisch am anderen Ende lag eine dicke, orangefarbene Kevlar-Decke. Mein Puls überschlug sich, und meine Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten, als Cell die Decke anhob.
    In der Mitte des Tischs stand ein weißer Laptop. Wo die Tastatur hätte sein sollen, befanden sich Nägel, Drähte und lehmartiger Plastiksprengstoff. Ich begann zu zittern.
    Auf dem Bildschirm blinkten die üblen, aber überflüssigen Worte »Ich bin eine Bombe« auf, bevor die Nachricht angezeigt wurde:
    »Die hier sollte nicht hochgehen, aber die nächste wird es tun. Das schwöre ich bei den Augen des armen Lawrence.«
    »Dieser Typ hat echt Stil«, sagte Cell, der die Bombe fast bewundernd anblickte. »Die sieht im Grunde genommen wie eine Claymore-Mine aus. Zwei Kilo Plastiksprengstoff unter Nägeln, eine riesige Schrotpatrone. Alles mit einem raffinierten Quecksilberschalter verbunden, von denen ich in meinem Leben bisher erst einen gesehen habe. Er hat das Ding sogar an den Tisch geklebt, damit es niemand hochheben und das Quecksilber ausschütten kann.«
    »Wie … interaktiv von ihm.« Ich schüttelte den Kopf.
    An seiner Nachricht gefiel mir am allerwenigsten der Teil, in dem er auf die nächste Bombe hinwies. Das machte mir Angst. Als wollte jemand mit der Polizei ein Spielchen spielen. Da ich im Urlaub war, hatte ich nicht die geringste Lust auf Spiele, jedenfalls auf keine außer Beachball.
    »Er hat den Schalter ganz vorsichtig an die Batterie gelötet. Außerdem muss er sich mit Rechnern auskennen, weil er diesen netten Gruß auch ohne Festplatte, also nur über das interne Betriebssystem des Herstellers programmieren konnte.«
    »Warum ist sie nicht hochgegangen?«, fragte ich.
    »Er hat einen der Drähte durchgeschnitten und beide Enden umgebogen, damit das Ding nicht hochgeht. Der Wachmann sagte, der Lesesaal sei voll gewesen, wie jeden Samstag. Damit wären locker zehn Menschen ums Leben gekommen, wenn nicht gar zwanzig. Die Druckwelle von dieser Menge Sprengstoff könnte ein Haus zum Einsturz bringen.«
    Schweigend betrachteten wir die Laufschrift.
    »Klingt fast wie ein Gedicht«, überlegte Cell.
    »Ja«, stimmte ich zu, zog mein Telefon aus der Tasche und drückte eine Kurzwahltaste, um meine Chefin anzurufen. »Diesen Stil kenne ich. Nennt sich psychotischer Pentameter.«
    »Erzählen Sie mir, was wir haben, Mike«, verlangte Miriam kurz darauf.
    »Was wir haben, Miriam?«, sagte ich mit Blick auf das blinkende Ich bin eine Bombe. »Wir haben ein Problem.«

6
    Das Alexander Hotel auf der 44th Street gleich um die Ecke der Madison Avenue war unterbesetzt, überteuert und völlig heruntergekommen. Für 165 Dollar pro Nacht bekam man von den Wänden abblätternde Farbe, schmutzig-weiße Handtücher, Haschischgeruch und Uringestank geboten.
    Mit gekreuzten Beinen am Schreibtisch sitzend, den er ans Fenster seines Zimmers im obersten Stock geschoben hatte, ließ Berger langsam seine Kamera über die Säulen und das Gesims der denkmalgeschützten Bibliothek gleiten, die siebzehn Stockwerke unter ihm lag.
    Mit der elftausend Dollar teuren Superzoom-Linse an seiner digitalen 35-mm-Kamera konnte er die nervösen Gesichter der Einsatzkräfte auf eineinhalb Kilometer Entfernung erkennen. Und die Schweißperlen.
    Neben ihm auf dem Schreibtisch lagen ein Laptop, eine digitale Stoppuhr und ein Heft, in dem er während der letzten Stunden in sauberer Kurzschrift Notizen gemacht hatte. Evakuierungsmaßnahmen. Reaktionszeiten. Er hatte das Fenster geöffnet, um die Sirenen hören und sich dem
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