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Todesstunde

Todesstunde

Titel: Todesstunde
Autoren: James Patterson
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Gesicht. Sie war leicht betrunken, auf ihrem linken Fußgelenk prangte eine Tinker-Bell-Tätowierung. Ich konnte mich nicht erinnern, wann mich das letzte Mal eine beschwipste junge Frau mit Disney-Tätowierung angemacht hatte. Wahrscheinlich, weil es noch nie passiert war. Mein sommerlicher Anbagger-Radar kam mächtig in Fahrt. Vielleicht war der Abend doch nicht so ein Reinfall.
    Doch bevor mir eine schlagfertige, reizende Antwort einfiel, meldete sich mein Telefon mit einer Textnachricht.
    Sie stammte von Mary Catherine. Natürlich. War sie jetzt etwa bereit? Ich öffnete die Nachricht.
    Tut mir leid, dass ich durchgedreht bin, Mike. Kinder sind im Bett. Hintereingang ist offen.
    »Die Kinder?«, sagte Tinker Bell, die hinter mir stand und die Nachricht mitlas. »Wo ist dein Ehering? In der Hosentasche? Werde erwachsen, du Spinner.«
    Ich öffnete den Mund, um die Sachlage zu erklären, merkte aber, dass Tinker Bell recht hatte. Was tat ich hier? Ich war doch kein Jüngling mehr, der durch Kneipen streifte. Und auf keinen Fall war ich Peter Pan, sondern eher die alte Dame, die in einem Schuh lebte. Jemand musste der Erwachsene sein, und leider fiel diese Rolle mir zu.
    Auf dem Weg nach draußen legte ich einen Fünfer auf den Tresen.
    Zehn Minuten später betrat ich unser Haus durch den Hintereingang und schlich auf Zehenspitzen durch unseren »Schlafsaal«, das große Wohnzimmer, in dem die Jungs auf Ausziehsofas und Luftmatratzen schliefen. Sie waren sonnenverbrannt und erschöpft und träumten wahrscheinlich glücklich von einem weiteren himmlischen Sommertag am Strand.
    Meine Kleinste, Chrissy, kicherte im Schlaf, als ich ihr in dem winzigen Schlafzimmer nebenan einen Gutenachtkuss gab. Auf dem Tisch lag ein großer Haufen Muscheln. Wenigstens einer hatte hier Spaß.
    Auf dem Weg in meine eigene Koje erblickte ich Mary Catherine durch den offenen Türspalt. Mit ihren geschlossenen Augen sah sie aus wie von einer anderen Welt, abgeklärt wie ein Friedhofsengel.
    Ich wandte den Blick ab und zwang mich weiterzugehen, bevor ich dem Drang nachgeben würde, ihr ebenfalls einen Gutenachtkuss zu verpassen.

9
    Ich hatte das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein, als ich mit rasendem Herzen meine Augen in der Dunkelheit aufriss. Verwirrt griff ich zu meinem Mobiltelefon, um zu sehen, ob ich vom Klingeln geweckt worden war. In dem Moment zerbrach irgendwo eine Scheibe.
    »Dad!«, rief eins meiner Kinder vom Flur aus.
    Der Lärm kam aus dem Schlafsaal. Ich sprang aus dem Bett und rannte los, während ich die Lichter einschaltete.
    Neben Rickys Bett am Fenster lagen Glasscherben und ein Betonbrocken. Ich rannte hin, musste mich aber gleich ducken, weil eine Bierflasche vom Fensterrahmen abprallte und an meinem Ohr vorbeisauste.
    Ich erkannte einen kleinen Wagen vor dem Haus mit ausgeschaltetem Licht. Zwei oder drei Personen saßen darin.
    »Hey, ihr Arschlöcher!«, rief jemand. »Verschwindet aus dem Point, solange ihr noch könnt!«
    Voller Hass stürzte ich zur Haustür. Ich war weit mehr als nur sauer. Ich war wütend. Diese Schweine hätten eins meiner Kinder umbringen oder zumindest verletzen können. Barfuß und nur mit Boxershorts bekleidet, schnappte ich mir einen Baseballschläger von der Veranda.
    Kaum hatte ich die Straße erreicht, heulte der Motor auf, und Reifen quietschten. Es waren Stimmen von Jugendlichen, die ich lachen hörte. Statt wie der geübte Profi, der ich war, zu versuchen die Nummer zu erkennen, holte ich aus und schleuderte dem fliehenden Wagen den Schläger hinterher, der allerdings nur über den Asphalt hüpfte.
    Ich rannte zur Straßenecke, doch von den Jungs war nichts mehr zu sehen. Hellwach und völlig aufgekratzt blieb ich stehen, angestachelt von Mordgelüsten. Mir war es egal, wie alt Flaherty war, meinen Kindern durfte niemand etwas antun.
    Brian trat hinter mich, als ich mich nach dem Schläger bückte. »War das dieser Flaherty, Dad?«, fragte er. »Das war er bestimmt.«
    »Ich habe niemanden erkannt, aber wir können davon ausgehen.«
    »Ich habe mich umgehört, Dad. Man erzählt sich nichts Gutes über die Flahertys. Die ganze Familie ist verrückt. Der Junge hat fünf Brüder, von denen einer schlimmer als der andere ist. Sie haben sogar einen Pitbull. Jemand hat gesagt, sie seien Westies, Dad.«
    Ich dachte darüber nach. Die Westies waren Überbleibsel der irischen Mafia, Schläger und Verbrecher, die, immer noch in Banden organisiert, auf der West Side von Manhattan
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