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Leichenschänder

Titel: Leichenschänder
Autoren: Jürgen Benvenuti
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nicht, dass ich zu tun habe?“ Er saß über seinen Laptop gebeugt und knallte scharenweise räudige Fledermäuse ab, die es verdient hatten zu sterben.
    „Ich würde gern ein Interview mit Steinkopf machen.“
    Huber wandte sich mir zu und sagte: „Mit dem Politiker?“
    Ich nickte.
    „Warum gerade mit ihm?“
    „Steinkopf bereitet sich gerade auf seinen Wahlkampf vor, während seine Tochter todkrank im Spital liegt und auf ein Spenderherz wartet. Diese Doppelbelastung muss ihm doch enorm zusetzen.“
    „Da haben Sie recht.“
    „Wie erträgt Steinkopf diese Last? Die Antwort auf diese Frage gäbe eine verdammt gute Geschichte ab, finde ich.“
    Huber runzelte die Stirn, steckte umständlich die Spitze seiner großkalibrigen Zigarre in Brand und sagte: „Das ist keine schlechte Idee, Breitmaier. Bekommt man Sie deshalb kaum noch zu Gesicht? Weil Sie an dieser Story dran sind?“
    „Äh, ja, das ist richtig, Boss.“
    „Sehr gut. Sie entwickeln langsam Eigeninitiative. Das gefällt mir. Außerdem würde die Geschichte gut zu unserer Reportage bezüglich der Wiedererstarkung der christlichen Werte passen.“
    „Das war auch mein Hintergedanke, Boss.“
    „Und Sie glauben, Sie kriegen so einfach einen Interviewtermin bei Steinkopf? Ich jedenfalls kann Ihnen dabei nicht helfen.“
    „Lassen Sie das ruhig meine Sorge sein.“
    Huber nickte, rieb sich vergnügt seine kleinen, fetten Hände und sagte: „Bis wann können Sie die Story abliefern?“
    „Sie bekommen sie noch heute.“
    Huber schaute mich skeptisch an und sagte: „Wenn Sie sich da mal nicht übernehmen. Aber bitte, meinen Segen haben Sie.“ Dann drehte er sich um und widmete sich wieder seinem Computerspiel.
    Ich verließ Hubers Büro, setzte mich an einen freien Schreibtisch, suchte Steinkopfs Rathaus-Nummer aus dem Telefonbuch und rief ihn an. Ich kämpfte mich durch die obligatorischen Schlachtreihen von Sekretärinnen und drang schließlich bis zu Steinkopfs ganz privater Privatsekretärin vor, die mich unter gar keinen Umständen mit ihrem Boss verbinden wollte. Erst meine Androhung eines Hetzartikels brachte sie dazu, mich zum Politiker durchzustellen.
    „Steinkopf hier“, sagte eine Stimme, die ich kannte. „Mit wem spreche ich?“
    „Hier ist Enzo Breitmaier von
Voll Dran!
, der Qualitätszeitung für investigativen Journalismus. Ich würde Sie gerne bezüglich der bevorstehenden Wahl interviewen.“
    „Dafür habe ich im Moment leider keine Zeit. Vielleicht in zwei, drei Wochen. Am besten, Sie lassen sich von meiner Sekretärin einen Termin geben.“
    „Ich denke, dieses Interview könnte Ihr Abschneiden bei der Wahl sehr beeinflussen.“
    „Inwiefern?“
    „Ich würde mit Ihnen gerne über einen Ihrer Wahlkampfhelfer sprechen. Einen gewissen Bodo Mikanuda.“
    „Wie, sagten Sie, war der Name? Mikanuda?“
    Zu Beginn unseres Telefonats hatte Steinkopf die Stimme eines Mannes gehabt, der es gewohnt war, dass man seinen Anordnungen Folge leistete. Jetzt hatte sich etwas anderes in seine Stimme geschlichen.
    Vorsicht.
    Und Angst.
    „Genau“, sagte ich. „Bodo Mikanuda. Ein ehemaliger Chirurg, der dem Alkohol und dem Glücksspiel verfallen ist. Sie wissen, wen ich meine, oder?“
    Ich hörte ein Reiben, als würde eine Schublade aufgezogen, dann ein Klirren wie beim Öffnen einer Flasche und schließlich hastige Schluckgeräusche. Dann war Steinkopf wieder am Apparat.
    „Ich kannte Bodo Mikanuda“, sagte er. „Ich habe gehört, er sei gegen eine Straßenbahn gelaufen und dabei getötet worden. Furchtbar.“
    Seine Stimme klang jetzt sehr beherrscht. Und eiskalt.
    „Ich hätte ein paar Fragen an Sie, die ich Ihnen gerne persönlich stellen würde“, sagte ich.
    „Wie gesagt, mein Terminkalender ist voll.“
    „Das sind die Gefängnisse auch, mein lieber Steinkopf. Dennoch gibt’s da sicher noch ein Plätzchen für einen weiteren Insassen, glauben Sie nicht?“
    Er schwieg ein paar Sekunden.
    „Nun“, sagte ich. „Was ist?“
    „Also gut. Kommen Sie in mein Büro.“
    „Wann?“
    „In einer halben Stunde.“
    „Gut“, sagte ich und legte auf.
    Als ich vom Schreibtisch aufstand, tänzelte Huber mit breitem Grinsen auf mich zu.
    „Und, haben Sie einen Termin bei Steinkopf bekommen?“, fragte er.
    Ich nickte. „In einer halben Stunde in seinem Büro.“
    Huber nickte zufrieden. „Sehr schön. Bei mir hat es auch endlich geklappt.“
    „Was denn, Boss?“
    „Ich hab einen neuen Rekord aufgestellt und bin auf
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